Entscheidungsstichwort (Thema)
Dienststellenleiter. Erstattungsanspruch. Erstattungsbeschluß. Haftung. Kassenfehlbetrag. Leistungsbescheid. Mitbestimmungsverfahren. VERFAHRENSFEHLER. Vertretung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verfahrensmangel bei der Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens (hier: fehlerhafte Vertretung des Dienststellenleiters) ist im Verhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten unbeachtlich, wenn der Personalrat den Mangel nicht fristgemäß gerügt, sondern der beabsichtigten Maßnahme zugestimmt hat.
2. Der Anspruch des Dienstherrn auf Erstattung eines schuldhaft verursachten Kassenfehlbetrages kann wahlweise durch Erstattungsbeschluß, Leistungsbescheid, Aufrechnung und Zurückbehaltung oder im Wege der Klage geltend gemacht werden. Dieses Wahlrecht ist auch dann nicht eingeschränkt, wenn die formellen Voraussetzungen für den Erlaß eines Erstattungsbeschlusses vorliegen.
Normenkette
BBG § 78 Abs. 1; BPersVG § 69 Abs. 2 S. 1, § 7; ErstG § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1
Tatbestand
Der am 14. Januar 1958 geborene Kläger ist Postobersekretär. Er war seit September 1980 im Schalterdienst eingesetzt und führte seit dem 1. April 1984 den Schalter 1 (Kassenkennzahl 031) beim Postamt Marburg 3. Zu seinen Aufgaben gehörten die Abgabe von Wertzeichen, die Annahme von Einschreibsendungen und Wertbriefen, Zahlkarten und Postanweisungen per Hand (auch im Auslandsdienst), der Postsparkassendienst, Auszahlungen auf Schecks, Gehaltsabhebungen, Telegrammannahme, Vermittlung von Telefongesprächen, Annahme von Paketsendungen, Barablieferungen, Barzuschüsse sowie Wertvorgaben für Absenderfreistempler.
Am 8. August 1985 meldete der Kläger einen tags zuvor aufgetretenen Kassenfehlbetrag in Höhe von 79,69 DM für den Abschlußzeitraum vom 31. Juli 1985, 18.00 Uhr bis zum 7. August 1985, 12.00 Uhr. Zu seiner Entlastung führte er an: „Erhöhter Kundenandrang und nicht realisierte genehmigte Bemessung”. Er erklärte sich nicht bereit, den Fehlbetrag zu erstatten und beantragte die Mitbestimmung der Personalvertretung. Der Personalrat beim Postamt Marburg und der Bezirkspersonalrat bei der Oberpostdirektion Frankfurt am Main stimmten mit Schreiben vom 14. Oktober 1985 bzw. vom 21. Februar 1986 der beabsichtigten Haftbarmachung des Klägers nicht zu und führten zur Begründung übereinstimmend aus, der Kläger sei aufgrund eines durch Personalbemessung festgestellten und nicht realisierten, erheblichen Mehrbedarfs und durch sehr starken Schalterverkehr überlastet gewesen. Die Oberpostdirektion legte den Vorgang mit Schreiben vom 27. Februar 1986 dem Hauptpersonalrat beim Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen vor. Dieser teilte mit Schreiben vom 4. Juli 1986 mit, der 12. Hauptpersonalrat habe in seiner Sitzung am 25./26. Juni 1986 beschlossen, dem Erlaß eines Leistungsbescheides/Erstattungsbeschlusses gegen den Kläger nicht zu widersprechen, da besondere entlastende Gründe nicht vorgetragen worden seien. Das Beteiligungsverfahren sei damit als erledigt anzusehen.
Nach Anhörung des Klägers wurde daraufhin der Kassenfehlbetrag von 79,69 DM zuzüglich 6,75 v. H. Zinsen ab Zugang des Bescheides durch Leistungsbescheid der Oberpostdirektion Frankfurt am Main vom 5. August 1986 zurückgefordert. Zur Begründung hieß es unter anderem, der Kläger habe bereits mehrere Kassenfehlbeträge von erheblicher Höhe zu vertreten (100,00 DM, 85,08 DM sowie 120,08 DM vom 19. Dezember 1984). Der durchschnittliche Kassenfehlbestand bei Kassen gleichen Aufgabeninhalts im Bereich des Postamts Marburg habe sich in der Zeit von Mai 1982 bis April 1983 auf 8,93 DM belaufen. Den ihm obliegenden Entlastungsbeweis habe der Kläger nicht führen können. Innerhalb von 12 Monaten vor Entstehung des streitbefangenen Kassenfehlbestandes habe er im Vergleich zu entsprechenden Kassenführern durchschnittlich höhere Fehlbeträge verursacht. Eine unzumutbare Mehrbelastung aufgrund des noch nicht realisierten Personalmehrbedarfs sei nicht gegeben.
Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger am 4. Februar 1987 Klage erhoben und sich zur Begründung erneut auf die angespannte Personalsituation und den starken Publikumsverkehr berufen. Darüber hinaus komme ihm der formalisierte Entlastungsbeweis nach der Verfügung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 9. Mai 1985 (ABl. 59/1985, S. 845) zugute, denn er habe innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten lediglich zwei Kassenfehlbeträge von mehr als 50,00 DM bis 100,00 DM verursacht.
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Zinsforderung in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat der Kläger beantragt, den Bescheid des Präsidenten der Oberpostdirektion Frankfurt am Main vom 5. August 1986 und den Widerspruchsbescheid derselben Behörde von 20. Januar 1987 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, der nicht realisierte Personalmehrbedarf bedeute keine besondere Belastung für die Schalterbeamten des Postamtes Marburg 3. Ein gelegentliches Ansteigen des Publikumsv...