Entscheidungsstichwort (Thema)
Beamtenrecht. Personalvertretungsrecht
Leitsatz (amtlich)
1) Ein Leistungsbescheid, durch den ein Beamter zum Ersatz eines Kassenfehlbetrages herangezogen wird, kann zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung als vorläufige Maßnahme i.S. von § 69 Abs. 5 BPers.VG. ergehen (im Anschluß an BVerwG, DÖV 1980 S. 216).
2) Macht der Dienstherr nicht ausreichend kenntlich, daß es sich um eine vorläufige Maßnahme bis zum Abschluß des Mitbestimmungsverfahrens handeln soll, liegt ein Verfahrensfehler vor, der den Bescheid rechtswidrig macht.
3) Die Rechtswidrigkeit kann unter den Voraussetzungen des § 45 VwVfG geheilt werden.
Normenkette
BBG § 78; BPersVG § 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 9, § 69; VwVfG § 45
Verfahrensgang
VG Hamburg (Urteil vom 01.03.1979; Aktenzeichen IX VG 2684/78) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 1. März 1979 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Wegen, der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100,– DM abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob der Kläger zum Ersatz eines Kassenfehlbetrages herangezogen werden kann.
Der Kläger ist seit 1959 im Kassendienst der Beklagten tätig. Im Jahre 1975 war er Kassenführer beim Amt und dort überwiegend am Schalter 5 eingesetzt. Zu den Aufgaben an diesem Schalter gehörten im wesentlichen die folgenden Tätigkeiten:
Abgabe von Postwertzeichen, Wechselsteuer- und Versicherungsmarken;
Postsparkassendienst;
Auszahlungen von Postbarschecks;
Annahme von Telegrammen, Auslandspostanweisungen und Zahlkarten (gewöhnliche und telegrafische) und telegrafischen Inlandspostanweisungen und Zahlkarten;
Abgabe von Wertkarten für Postfreistempelmaschinen und Steuerstempelmaschinen.
Der Schalter wurde im Schichtdienst von zwei Kassenführern bedient („Schalter 5 a” und „Schalter 5 b”).
In der Zeit zwischen dem 16. und 23. April 1975 entstand am Schalter 5 b ein Kassenfehlbetrag in Höhe von 103,46 DM, dessen Ursache nicht aufgeklärt werden konnte. Der Schalter war in dieser Zeit ausschließlich vom Kläger besetzt. Bei ihm waren in den davor liegenden zwölf Monaten am gleichen Schalter weitere Fehlbeträge in unterschiedlicher Höhe aufgetreten. Der durchschnittliche Tagesumsatz im gesamten Monat April 1975 betrug am Schalter 5 b 34.592,– DM. Wie hoch der durchschnittliche Tagesumsatz während der Zeit vom 16. bis 23. April 1975 war, läßt sich nicht mehr feststellen, da die unterlagen inzwischen vernichtet worden sind.
Der Kläger erkannte eine Ersatzpflicht wegen des Fehlbetrages von 103,46 DM nicht an und beantragte die Beteiligung des Personalrats. Der örtliche Personalrat und der Bezirkspersonalrat bei der Oberpostdirektion Hamburg stimmten einer Inanspruchnahme des Klägers nicht zu. Noch vor einer Entscheidung der Einigungsstelle beim Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen – diese hat der Heranziehung des Klägers zum Schadensersatz erst im März 1979 zugestimmt – erließ die Beklagte im April 1978 einen Leistungsbescheid über 103,46 DM, der dem Kläger am 28. April 1978 zugestellt wurde. Weder in dem Bescheid selbst noch im Anschreiben an den Vertreter des Klägers wurde auf das noch nicht abgeschlossene Mitbestimmungsverfahren hingewiesen.
Zur Begründung des Ersatzanspruchs wird in dem Bescheid u.a. ausgeführt: Der Kläger habe gemäß § 78 BBG für den Fehlbetrag aufzukommen, weil er grob fahrlässig gehandelt habe. Den ihm nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts obliegenden Entlastungsbeweis habe er nicht führen können. Er habe weitaus häufiger und in kürzeren Zeitabständen als andere Kassenführer Fehlbeträge verursacht. Am Schalter 5 b seien in den zwölf vorhergehenden Monaten 13 Minderbeträge von insgesamt 1.107,62 DM entstanden. Davon habe der Kläger allein sechs Minderbeträge von 803,18 DM zu vertreten. Außerdem habe er im gleichen Zeitraum an anderen Kassen noch drei weitere Minderbeträge von insgesamt 213,94 DM verursacht.
Der Kläger erhob Widerspruch und machte zur Begründung im wesentlichen geltend: Der Schalter 5 sei durch Art und Anzahl der dort zu verrichtenden Tätigkeiten überlastet gewesen. Das habe zu häufigen Minderbeträgen auch bei anderen Beamten dieses Schalters geführt. Besonders belastend, weil ständig zunehmend, sei das Postbarscheckverfahren gewesen. Monatlich würden durchschnittlich 2000 Schecks am Schalter eingelöst.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 15. September 1978 zurück. In der Begründung, die wiederum keinen Hinweis auf das noch nicht abgeschlossene Mitbestimmungsverfahren enthält, heißt es u.a.: Es solle nicht verkannt werden, daß die Belastung des Schalters mit der Entwicklung des Postbarscheckverfahrens zugenommen habe. In den beiden monatlichen Spitzentagen habe das Amt jedoch...