Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertberechnung in finanzgerichtlichen Aussetzungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Nebenabgaben (Zinsen) und Folgesteuern (Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag), die von der festgesetzten Steuer oder von dem zu versteuernden Einkommen abhängen, bleiben bei der Streitwertberechnung nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz grundsätzlich außer Betracht und zwar auch dann wenn sie in dem Klageantrag ausdrücklich erwähnt sind.
- Der geringeren Bedeutung des Aussetzungsverfahrens im Verhältnis zum Klageverfahren wird bei der Streitwertberechnung mit 10% des auszusetzenden Steuerbetrages hinreichend Rechnung getragen.
Normenkette
GKG § 53 Abs. 3 Nr. 3, § 52 Abs. 1
Streitjahr(e)
2008
Tatbestand
Der Erinnerungsführer (Ef.) wendet sich u.a. gegen die Bemessung des Streitwerts im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (AdV) mit 10 v.H. des Betrags, dessen Aussetzung begehrt wird.
Der Ef. hatte mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24.03.2008 die AdV der Umsatzsteuerbescheide, Einkommensteueränderungsbescheide und Gewerbesteuermessbescheide 2002-2004 vom 22.01.2008 beantragt. In der Antragsschrift hatte er als auszusetzenden Betrag bei der Umsatzsteuer jeweils die Summe der zu zahlenden Steuer und der Zinsen zur Steuer und bei der Einkommensteuer jeweils den in dem jeweiligen Leistungsgebot angegebenen Gesamtbetrag aus Steuer, Zinsen zur Steuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag angegeben.
Bei der Berechnung des Streitwerts berücksichtigte die Urkundsbeamtin lediglich die Steuerbeträge und setzte in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.10.2008 hiervon 10 % als Streitwert an. Die Einzelbeträge wurden auf Seite 3 des Kostenfestsetzungsbeschlusses aufgelistet. Außerdem wurde die neueste Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Fundstelle angegeben, wonach im AdV-Verfahren der Streitwert mit 10 v.H. des auszusetzenden Betrags zu bemessen ist.
Mit seiner Erinnerung vom 30.10.2008 macht der Ef. geltend, aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebe sich nicht, wie sich der Streitwert zusammensetze. Außerdem seien in den Streitwert auch die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag einzubeziehen, weil dies dem umfassenden Antrag in der Antragsschrift vom 24.03.2008 entspreche. Der Gesamtbetrag sei zudem „Gegenstand des Durchsuchungsbeschlusses” bei dem Amtsgericht A, weshalb es notwendig gewesen sei, die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag bei der AdV-Antragstellung und bei der Streitwertbemessung mit zu berücksichtigen. Der Ef. zitierte aus einem (nicht vorgelegten) Gutachten der Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz vom 06.06.2008, wo die Auffassung vertreten wird, das finanzielle Interesse des Steuerpflichtigen erstrecke sich auch auf die von der Steuer prozentual abhängige Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag.
Der Ansatz von lediglich 10 % des Streitwerts der Hauptsache spiegele nicht die Zinsersparnis wider. Das finanzielle Interesse eines Antragstellers im AdV-Verfahren lasse sich vor allem in einer möglichen Zinsersparnis ausdrücken, wobei 10 % den heutigen Marktverhältnissen nicht mehr gerecht würden. Ferner setzten die Verwaltungsgerichte 25 % des Hauptsachestreitwerts an. Es sollte gerichtsübergreifend einheitlich verfahren werden.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,
den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.10.2008 7 V 783/08 dahin gehend zu ändern, dass bei der Streitwertermittlung die Folgesteuern (Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag) einbezogen und 25 v.H. des so ermittelten Hauptsachestreitwerts angesetzt werden.
Der Erinnerungsgegner (Eg.) stellte keinen Antrag und äußerte sich im Erinnerungsverfahren nicht. Im Kostenfestsetzungsverfahren hatte er der Ermittlung des Streitwerts, wie sie die Urkundsbeamtin vornahm, zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Erinnerung ist unbegründet.
1. Aus der Darstellung auf Seite 3 des Kostenfestsetzungsbeschlusses ergibt sich eindeutig, dass sich der auszusetzende Betrag im Rahmen der Streitwertberechnung allein aus den einzelnen (aufgelisteten) Nachforderungsbeträgen der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer zusammensetzt.
2. Nebenabgaben wie Zinsen und sog. Folgesteuern wie Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, die von der festgesetzten Steuer oder vom zu versteuernden Einkommen abhängen, bleiben bei der Streitwertberechnung nach § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) grundsätzlich außer Betracht, und zwar auch dann, wenn sie in dem Klageantrag ausdrücklich erwähnt sein sollten (h.M.; vgl. z.B. Gräber/Ruban, FGO, Vor § 135 Rz 26; Tipke/Kruse, FGO, Vor § 135 Tz. 184; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler [H/H/Sp], § 139 FGO Rz. 218). Das entspricht der Wertung des Gesetzgebers (Hinweis auf § 43 GKG, der hinsichtlich der Zinsen unmittelbar gilt). Eine Ausnahme – gesonderte Festsetzung z.B. in einem Zinsbescheid oder spezifische Einwendungen gegen die Nebenabgabe oder Folgesteuer – ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Für die Bestimmung des Streitwerts eines AdV-Verfahrens gilt nichts anderes (BFH, Beschl. v. 24....