Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerrechtlicher Rechtsträgerwechsel bei Verschaffung der Verwertungsbefugnis durch Treuhänder
Leitsatz (redaktionell)
- Verschafft ein Treuhänder dem Treugeber die Verwertungsbefugnis an einem Grundstück im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG, gehört das Grundstück trotz des zivilrechtlichen Eigentums nicht mehr zum Vermögen des Treuhänders im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG.
- Eine vertragliche Vereinbarung einer Herausgabe und die Verpflichtung zur Abgabe der Erklärung zur dinglichen Übertragung im Rahmen einer Vereinbarungstreuhand stellt ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar.
- Im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne steht der bedingte Erwerb noch aus, während der befristete Erwerb als solcher bereits erfolgt ist.
- Die Regelung, wonach der Treuhänder unverzüglich nach einem schriftlichen Herausgabeverlangen alle noch zur dinglichen Übertragung und Herausgabe nötigen Erklärungen in der gebotenen Form abzugeben habe, ist keine aufschiebende Bedingung im Sinne des § 1 Nr. 1 GrEStG, da diese Regelung die Wirksamkeit der Übereignungsverpflichtung selbst unberührt lässt und allenfalls ein Hinausschieben der Fälligkeit zur Erfüllung der Übereignungsverpflichtung vergleichbar, ein Hinausschieben der Fälligkeit der Kaufpreiszahlung begründet.
- Begründet eine Gesellschaft zu Gunsten eines Anderen die Verwertungsbefugnis an einem Gesellschaftsgrundstück, gehört dieses Grundstück für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht mehr zum Vermögen dieser Gesellschaft. Eine doppelte Zurechnung (beim Treuhänder und Treugeber) ist nicht möglich.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2-3
Streitjahr(e)
2009
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin – eine GmbH – wendet sich gegen eine, aufgrund einer am 25.06.2007 begonnenen Betriebsprüfung nach den Feststellungen im Teilbericht Grunderwerbsteuer vom 24.02.2010 wegen eines Anteilserwerbs gemäß einem Vertrag vom 19.04.2004 ergangene gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer gemäß § 17 des Grunderwerbsteuergesetzes – GrEStG –. Hilfsweise begehrt sie deren weitgehende Aufhebung aus Billigkeitsgründen nach § 163 der Abgabenordnung – AO – bzw. hilfsweise eine Neubescheidung des Billigkeitsantrags.
Die Klägerin mit Sitz in X erwarb durch ein notarielles “Sale and Purchase Agreement“ vom 19.04.2004 (UR-Nr. … des Rechtsanwalts Y) von der B (nachfolgend mg) im Wege eines sog. “share deal“ deren 100 % Anteile an der DN (DN). Die DN wiederum war mittelbar auf jeder Beteiligungsstufe zu 100 % an diversen GmbHs beteiligt, die über inländischen Grundbesitz in verschiedenen Bundesländern und Finanzamtsbezirken verfügten. Im Einzelnen waren diese Tochterfirmen die C (C), die H (H) und die S (S).
Die Beteiligungsverhältnisse bei der mg, der DN und den weiteren Töchtern waren Ausgangspunkt notarieller Treuhandverträge vom 20.12.2002 (UR-Nr. … des Notars A), mit denen die mg mit den drei o.g. Tochterfirmen C, H und S jeweils einen Vertrag zur Begründung einer Vereinbarungstreuhand schloss, wonach die Töchter mit Wirkung ab 31.12.2002, 23.00 Uhr, gegen ein Entgelt die zu ihrem bisherigen Geschäftsbetrieb gehörenden Vermögensgegenstände im Wege der Vereinbarungstreuhand für Rechnung und auf Gefahr des Treugebers (mg) unter Begründung eines Geschäftsbesorgungsvertrages halten. Nach § 1 Abs. 1 der Verträge war der Treuhänder zur jederzeitigen Herausgabe des Treugutes an den Treugeber oder einen von ihm benannten Dritten verpflichtet. Ferner hatte er unverzüglich nach einem schriftlichen Herausgabeverlangen alle noch zur dinglichen Übertragung und Herausgabe nötigen Erklärungen in gebotener Form abzugeben. Ferner waren sich die Parteien einig, dass das Eigentum bzw. die Inhaberschaft an den in dem Herausgabeverlangen bezeichneten Gegenständen mit Zugang des schriftlichen Herausgabeverlangens übergehe. Nach § 2 der Verträge umfasste das Treugut das gesamte Vermögen der Treuhänder mit Ausnahme der in entsprechenden Anlagen gemäß § 2 Abs. 3 der Verträge aufgeführten Vermögensgegenstände (allesamt Beteiligungen).
Nach § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Treuhandverträge waren sich die Parteien einig, dass im Falle der Beendigung dieses Vertrages das rechtliche Eigentum bzw. die Inhaberschaft an den Vermögensgegenständen des Treugutes auf den Treugeber übergeht. Der Treuhänder wird alle zur dinglichen Übertragung ggf. noch nötigen Erklärungen in der gebotenen Form abgeben.
Zu diesem Zeitpunkt und auch nicht von der Treuguteigenschaft ausgenommen war bei den Tochterfirmen bereits der streitgegenständliche inländische Grundbesitz vorhanden, mit Ausnahme eines Gebäudes auf fremden Grund in Z, das einer 100 %igen Tochter der S gehörte, mit der kein Treuhandverhältnis begründet worden war.
Mit dem “Sale and Purchase Agreement“ vom 19.04.2004 erfolgte neben dem Erwerb der Beteiligung von mg an der DN durch die Klägerin zugleich auch eine Übernahme – jeweils im Wege eines sog. “asset deals“ – des wirt...