Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessensausübung bei der Beantragung einer Zwangsversteigerung von Grundbesitz
Leitsatz (redaktionell)
Wendet der Schuldner gegen die Beantragung der Zwangsversteigerung durch die Finanzbehörde ein, dass aufgrund der zum geringsten Gebot gehörenden Belastungen und des Verkehrswertes offensichtlich kein zur teilweisen Befriedigung führender Verwertungserlös zu erzielen sei, so handelt die Finanzbehörde ermessensfehlerhaft, wenn sie unter Berufung auf das den BGH-Beschluss vom 30.01.2004 IXa ZB 233/03 die Einwendungen als irrelevant betrachtet und keine konkreten Aussagen zur Verhältnismäßigkeit ihres Antrages macht.
Normenkette
AO § 249 Abs. 1, § 322
Streitjahr(e)
2008
Tatbestand
Der Kläger ist neben seiner Ehefrau hälftiger Miteigentümer des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstücks S.str. in G. – L.. Der Beklagte betreibt gegen den Kläger wegen fälliger Steuerrückstände und Nebenleistungen in Höhe von über 29.000,- EUR die Zwangsvollstreckung. Am 29.05.2008 erfolgte eine fruchtlose Pfändung durch den Vollziehungsbeamten. Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung Nr. 370/08 vom 15.04.2008, die der Ehefrau des Klägers am 17.04.2008 zugestellt wurde, pfändete der Beklagte den Anspruch des Klägers gegen seine Ehefrau auf Aufhebung der Gemeinschaft an dem vorgenannten Grundstück. Mit Antrag vom 09.07.2008 beantragte der Beklagte beim Amtsgericht G. die Anordnung der Zwangsversteigerung des Grundstücks zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft. Mit Beschluss vom 21.07.2008, Az. 42 K 147/08, ordnete das Amtsgericht G. die Zwangsversteigerung des Grundeigentums an.
Am 08.08.2008 erhob der Kläger gegen den Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung Einspruch. Er wandte ein, der Zwangsversteigerungsantrag sei weder verhältnismäßig noch zweckmäßig, da keine Befriedigung des Beklagten zu erwarten sei. Das von der Familie des Klägers selbst bewohnte Einfamilienhaus sei 1998 für 198.000,- DM (101.235,- EUR) gekauft worden. Das Grundstück sei mit Grundsschulden der Volks- und Raiffeisenbank M. in Höhe von 176.000,- EUR dinglich belastet, wobei die gesicherten Darlehen noch mit ca. 150.000,-. EUR valutierten. Da diese Grundschulden wie die Versteigerungskosten beim geringsten Gebot zu berücksichtigen wären und der Verkehrswert des Grundstücks nicht höher liege als der damalige Kaufpreis, sei nicht mit einem Mehrerlös zur Tilgung der Steuerrückstände zu rechnen.
Im Grundbuch sind in Abteilung III unter Nr. 1-5 Grundschulden von zusammen 166.375,- EUR zugunsten der VR Bank M. eingetragen.
Am 01.10.2008 erhielt der Beklagte vom Amtsgericht das Verkehrswertgutachten vom 12.09.2008 übersandt, wonach sich der Verkehrswert des Grundstücks auf 98.900,- EUR belaufe.
Mit Einspruchsentscheidung vom 09.10.2008, zur Post gegeben am 10.10.2008, wies der Beklagte den Einspruch zurück. Hierbei führte er unter Berufung auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 30. Januar 2004 IXa ZB 233/03 (Rpfleger 2004, 302) aus, dass – auch wenn angesichts der gegebenen Wertverhältnisse und Vorbelastungen im Grundbuch eine Befriedigung der Gläubigerforderung aussichtslos erscheint – ein Schuldner mit dieser Begründung keine Aufhebung des Verfahrens erreichen könne, da vor Beendigung des Verfahrens keine Prognose über dessen Ausgang gestellt werden könne und auch nicht gestellt werden müsse. Es sei nicht ausgeschlossen, dass es auch in zunächst aussichtslos erscheinenden Verfahren noch ein positives Ergebnis für den betreibenden Gläubiger gebe. Der für die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen geltende Grundsatz, dass ein kostendeckender Erlös erzielt werden müsse (§ 281 Abs.3 der Abgabenordnung – AO – i.V.m. § 803 Abs.2 der Zivilprozessordnung – ZPO –) gelte nicht für die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen.
Am 13.11.2008 erhob der Kläger Klage. Er ist unter Berufung auf das Vorbringen im Einspruchsverfahren der Auffassung, die Beantragung der Zwangsversteigerung sei unverhältnismäßig, da die Zwangsversteigerung angesichts des Werts des Grundstücks und der zum geringsten Gebot gehörenden dinglichen Vorbelastungen offensichtlich nicht zu einer teilweisen Befriedigung des Beklagten führen könne.
Der Kläger beantragt,
den Antrag vom 09.07.2008 auf Anordnung der Zwangsversteigerung in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.10.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Gericht lag die beim Beklagten für den Kläger geführte Vollstreckungsakte nebst Sonderband Grundstücke vor. Diese war Gegenstand des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
1.
Nach § 249 Abs.1 Satz 1 AO können Verwaltungsakte, mit denen u.a. eine Geldleistung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstreckt werden. Nach § 322 Abs.1 Satz 2 AO sind dabei auf die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen – wie im Streitfall das Grundstück – die für die gerichtliche Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften, namentlich die §§ 864 bis 871 ZPO und das Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung...