Entscheidungsstichwort (Thema)
Entsprechende Anwendung des § 4 Nr. 28 UStG, wenn sich die Steuerfreiheit der Verwendung des Wirtschaftsgutes aus einer Berufung auf die ummittelbare Anwendung der 6. EG-Richtlinie ergibt
Leitsatz (redaktionell)
- Die Vorschrift des § 4 Nr. 28 UStG ist bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern auch anwendbar, wenn die mit diesen Wirtschaftsgütern erzielten laufenden Umsätze nicht nach § 4 Nr. 8 bis 27 UStG, sondern lediglich aus Anlass der Berufung auf die unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 13 Teil B lit. f der 6. EG-Richtlinie steuerfrei sind.
- Zur Ausfüllung von Gesetzeslücken sind die Gerichte gleichermaßen auch zuungunsten des Steuerpflichtigen befugt und verpflichtet, solange über den möglichen Wortsinn des Gesetzes hinaus keine Steuertatbestände ausgeweitet und keine neuen Steuertatbestände geschaffen werden.
- Der Gesetzgeber hat in § 4 Nr. 28 UStG eine planwidrige Regelungslücke hinterlassen, in dem er dort den Fall einer Steuerbefreiung, die sich allein aus der Berufung des Steuerpflichtigen auf die unmittelbare Anwendbarkeit der 6. EG-Richtlinie ergibt, nicht geregelt hat.
Normenkette
UStG §§ 15a, 4 Nr. 28; RL 77/388/EWG Art. 13 Teil B lit. f
Streitjahr(e)
2002, 2003, 2004
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Ansatz von Vorsteuerberichtigungsbeträgen aus Anlass der Veräußerung gebrauchter Geldspielautomaten. Der Kläger
erzielte in den Streitjahren Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten (Unterhaltungsautomaten) mit Gewinnmöglichkeit. Im Jahre 2006 gab er beim Beklagten (dem Finanzamt, im Folgenden: ,FA') für die Besteuerungszeiträume ab 1999 geänderte Umsatzsteuererklärungen ab, in denen er die zuvor als steuerpflichtig behandelten Umsätze auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen „Linneweber” und „Akritidis” (EuGH-Urteil vom 17.02.2005, C-453/02 und C-462/02, Slg. 2005, I-1131, nachfolgend BFH vom 12.05.2005 – V R 7/02, BStBl. II 2005, 617) und somit unter Berufung auf die unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 13 Teil B lit. f der 6. EG-Richtlinie als steuerfrei behandelte und die mit der Erzielung seiner laufenden Umsätze zusammenhängenden Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung der Geldspielgeräte nicht mehr geltend machte. Die in den Streitjahren zusätzlich erzielten Umsätze aus dem Verkauf gebrauchter Geldspielgeräte behandelte er jedoch weiterhin als steuerpflichtig. Wegen der seiner Ansicht nach insoweit bestehenden und von der grundsätzlichen Steuerfreiheit der erzielten Ausgangsumsätze abweichenden Steuerpflicht machte er nach § 15a Abs. 4 UStG (in der Fassung der Streitjahre) anzusetzende Vorsteuerberichtigungsbeträge geltend. Er setzte die folgenden Beträge an:
Streitjahr |
Umsatzsteuer aus dem Verkauf von gebrauchten Geräten |
Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 4 UStG (a. F.) |
2002 |
1.272,54 Euro |
./. 2.123,77 Euro |
2003 |
633,60 Euro |
./. 1.205,81 Euro |
2004 |
528,27 Euro |
./. 1.119,15 Euro |
Die im Zeitpunkt der Anschaffung der im Streitjahr veräußerten Geräte angefallene Vorsteuer hatte der Kläger – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – wegen der Berufung auf die Steuerfreiheit der aus dem Betrieb der Geräte erzielten Ausgangsumsätze in keinem Fall geltend gemacht. Denn auch insoweit (d.h. auch für die im Veräußerungszeitpunkt bis zu fünf Jahre zurückliegenden Besteuerungszeiträume) hatte das FA die geänderten Steuererklärungen des Klägers zu Grunde gelegt. Wegen des weiteren Inhalts der für die Streitjahre abgegebenen geänderten Steuererklärungen wird auf den vorgelegten Band Umsatzsteuerakten 2002 bis 2004 Bezug genommen. Für die Streitjahre stimmte das FA den geänderten Erklärungen des Klägers zunächst nach § 168 Satz 2 AO zu und teilte ihm dies am 02.02.2006 (Bl. 35 der Vorgänge 2002 der Umsatzsteuerakten), 16.02.2006 (Bl. 29 der Vorgänge 2003 der Umsatzsteuerakten) und 17.02.2006 (Bl.18 der Vorgänge 2004 der Umsatzsteuerakten) mit.
Vom 12.02.2006 bis zum 30.03.2006 führte das FA beim Kläger eine Betriebsprüfung durch, die es mit Bericht vom 27.04.2006 abschloss (Bl. 23 ff. des Sonderbandes Betriebsprüfungsberichte). Darin vertrat die Betriebsprüfung die Auffassung, dass auch die vom Kläger jeweils als steuerpflichtig behandelte Lieferung gebrauchter Geldspielgeräte entsprechend § 4 Nr. 28 UStG von der Umsatzsteuer befreit sei und die erklärten Vorsteuerberichtigungsbeträge daher wegen § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht berücksichtigungsfähig seien. Die aus dem Verkauf der Geräte erzielten Entgelte behandelte die Betriebsprüfung gleichwohl nach § 14 Abs. 2 UStG (in der Fassung der Streitjahre 2002 und 2003) bzw. § 14c Abs. 1 UStG (in der Fassung des Streitjahres 2004) als steuerpflichtig, da der Kläger – was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist – die Umsatzsteuer in den entsprechenden Verkaufsrechnungen offen ausgewiesen hatte und es jedenfalls in den Streitjahren zu keiner erfolgreichen Berichtigung des nach Ansicht der Betriebsprüfung unzutreffenden Steuerausweises kam. Das FA folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung...