vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [II R 11/16)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung von Anteilscheine eines offenen Immobilienfonds, deren Rücknahme gem. § 81 Investmentgesetz ausgesetzt ist
Leitsatz (redaktionell)
Anteilscheine eines offenen Immobilienfonds, deren Rücknahme gem. § 81 InvG ausgesetzt ist, sind mit dem zum Bewertungsstichtag im Rahmen des Freiverkehrs festgestellten niedrigeren Börsenkurs zu bewerten und nicht mit dem Rücknahmepreis gem. § 11 Abs. 4 BewG. Die fehlende Möglichkeit, die Anteilscheine zum Rücknahmepreis zu liquidieren, stellt dabei einen Preis beeinflussen Umstand gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 BewG dar.
Normenkette
BewG § 11 Abs. 4, § 9 Abs. 2 S. 2, § 11 Abs. 1; InvG § 81
Streitjahr(e)
2012
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Bewertung von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds (Anteilscheinen) im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung.
Die Klägerin ist Alleinerbin ihrer am…Januar 2012 verstorbenen Freundin Frau T, geb. … (Erblasserin). Bestandteil des Nachlasses waren unter anderem 220,901 Anteilscheine an der X
(WKN: …, ISIN: …). Hierbei handelte es sich um einen offenen Immobilienfonds. Das Fondsmanagement hatte die Rücknahme der Anteilscheine am…Mai 2010 für zwei Jahre ausgesetzt. Mit Schreiben vom…Mai 2012 wurde den Anlegern mitgeteilt, dass die fehlende Liquidität des Fonds die Kündigung nach § 38 Abs. 1 des Investmentgesetzes in der zum Besteuerungszeitpunkt geltenden Fassung (InvG) und dessen Auflösung zu Folge habe.
Insoweit wird auf die Pressemitteilung der … vom…April 2011 (Bl. 52 f. der Erbschaftsteuerakte) und das Schreiben der … vom…Mai 2012 (Bl. 54 f. der Erbschaftsteuerakte) Bezug genommen.
Unter Berücksichtigung der Angaben in der Erbschaftsteuererklärung vom 13. Juni 2012 setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) mit Bescheid vom 20. November 2012 Erbschaftsteuer in Höhe von …,-- € fest. Die hinterlassenen Anteilscheine wurden hierbei mit einem Wert pro Anteil von … € und einem Gesamtwert von …,-- € angesetzt. Dieser Wert entsprach sowohl den Angaben in der Anzeige nach § 33 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der zum Besteuerungszeitpunkt geltenden Fassung (ErbStG) der depotverwaltenden … Bank vom 18. Mai 2012 (Bl. 9 f. der Erbschaftsteuerakte), als auch des „Investmentpreises” laut Mitteilung der …, die als Anlage zum Schreiben der Klägerin vom 25. Oktober 2012 an das FA übersandt wurde (Bl. 27 der Erbschaftsteuerakte).
Hiergegen legte die Klägerin am 5. Dezember 2012 Einspruch ein und begründete diesen wie folgt: Der Wertansatz der streitgegenständlichen Anteilscheine sei nicht zutreffend. Der Rücknahmewert, der laut InvG vom einem Gutachterausschuss ermittelt werde, sei zum Besteuerungszeitpunkt nicht mehr zu realisieren gewesen, da die Rücknahme der Anteilscheine bereits seit Mai 2010 ausgesetzt gewesen sei. Bei dem ausgewiesenen Rücknahmewert handele es sich daher um eine reine Fiktion. Maßgeblich für den Wertansatz müsse vielmehr der Börsenwert als gemeiner Wert im Sinne des § 9 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) sein, der zum Besteuerungszeitpunkt …,-- € betragen habe.
Mit seiner Entscheidung vom 27. Mai 2015 (zugestellt am 28. Mai 2015) wies das FA den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. In den Gründen seiner Entscheidung führte das FA aus, gemäß § 11 Abs. 4 BewG seien Wertpapiere auch dann mit dem Rücknahmepreis anzusetzen, wenn ein tatsächlicher Kurswert im Sinne des § 11 Abs. 1 BewG zu ermitteln sei. Insoweit verdränge die speziellere Vorschrift des § 11 Abs. 4 BewG die allgemeinere Regelung des § 11 Abs. 1 BewG.
Hiergegen hat die Klägerin am 25. Juni 2015 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, ein Ansatz mit dem Rücknahmepreis nach § 11 Abs. 4 BewG komme im Streitfall bereits deswegen nicht in Betracht, weil zum Besteuerungszeitpunkt kein Rücknahmepreis existiert habe. Zum Nachweis des Kurswertes hat die Klägerin einen Ausdruck ihrer Abfrage zum historischen Kurswert der
Anteile über die Webseite www.wallstreet-online (Stand: 4. Dezember 2012) vorgelegt. Hinsichtlich deren Inhalts wird auf die Anlage K 2 zum Schriftsatz vom 25. Juni 2015 (Bl. 10 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Erbschaftsteuerbescheid vom 20. November 2012 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2015 dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf …,-- € herabgesetzt wird,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären und
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom 15. Januar 2015 (3 K 1997/14 Erb).
Die einschlägige Verwaltungsakte (ein Band Erbschaftsteuerakte) war beigezogen und Gegenstand der Beratung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet.
Der Erbschaftsteuerbescheid vom 20. Nove...