Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlagenvorlage
Leitsatz (amtlich)
Hat zunächst der BR/GBR die Erteilung bestimmter Auskünfte unter Vorlage an den Wirtschaftsausschuß verlangt, kann er – im Falle der Weigerung des Arbeitgebers – nicht hernach Vorlage an sich selbst nach § 80 Abs. 2 BetrVG verlangen. § 109 BetrVG enthält insoweit eine speziellere gesetzliche Regelung. Die Einigungsstelle ist dann primär zuständig (im Anschluß an LAG Frankfurt, Beschluß vom 10.12.1985 – 4 Ta BV Ga 139/85 –)
Normenkette
BetrVG §§ 109, 80
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 05.11.1987; Aktenzeichen 2 BV 66/87) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Offenbach vom 05. November 1987 – 2 BV 66/87 – teilweise abgeändert.
Die Anträge des Antragstellers werden in vollem Umfang zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten, ob die Antragsgegnerin (AGg.) dem Antragsteller (ASt. = GBR) die im Jahre 1983 zur Feststellung des EDV-Istzustandes bei den einzelnen Töchtern im Konzernbereich von der A. V., G. S. veranlaßte, sog. Nolan-Norton-Studie, von der zumindest ein Exemplar bei der AGg. vorhanden ist, ihm – hilfsweise der Einigungsstelle D. B. (Bl. 162 d.A.) – zur Verfügung stellen muß.
Wegen des hierzu erstinstanzlich festgestellten Streitstoffs und des erstinstanzlichen Antrags wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses (Bl. 38, 39 d.A.) verwiesen. Das Erstgericht hat dem Antrag aus den im einzelnen aus Bl. 38, 39 d.A. ersichtlichen Gründen, auf die Bezug genommen wird, stattgegeben.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die AGg. ihr auf Antragszurückweisung gerichtetes Verfahrensziel weiter. Sie rügt, das Rechtsschutzinteresse sei jedenfalls nach Vorliegen der umfassenden EDV-Spruch-Regelung der Einigungsstelle D. B. (Bl. 95–154 d.A.) weggefallen. Ein Vorlageanspruch scheitere auch daran, daß es sich um eine Konzern- und nicht um eine Unternehmenstudie der AGg. handele. Auch müsse die Unternehmensleitung in der Lage sein, ohne Unterrichtung des GBR/BR Überlegungen über mögliche zukünftige Entwicklungen im Vorplanungsstadium anzustellen.
Der ASt. bittet um Zurückweisung der Beschwerde und meint, sein Rechtsschutzinteresse bestehe noch. Es gehe um den Abschluß eines Sozialplans bezüglich der in C.-R. auch aus Gründen der EDV-Einführung entlassenen Mitarbeiter. Zudem funktioniere das eingeführte EDV-System nicht, so daß der ASt. in der Lage sein müsse, im Unternehmensinteresse hierzu „sachgerechte” Vorschläge zu machen. Dafür brauche er die Studie.
Ergänzend wird auf den im Beschwerderechtszug entstandenen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist im Umfang der mit Schriftsatz vom 14./15.4.1988 fristgerecht gelieferten Beschwerdebegründung zulässig und begründet.
Die Beschwerderichter folgen dem Erstgericht weder im Ergebnis noch in den Gründen der Entscheidung.
Haupt- und Hilfsantrag des GBR bleiben ohne Erfolg.
A. Hauptantrag
1.) Entgegen der Ansicht der AGg. ist das Rechtsschutzinteresse an der Vorlage der Studie für den GBR nicht weggefallen, nachdem die EDV-Spruch-Regelung der Einigungsstelle D. B. vorliegt.
Immerhin ist nicht „offensichtlich ausgeschlossen” (hierzu: BAG; B. v. 26.1.1988 – 1 ABR 34/86 – DB 1988, 1551), daß dem GBR zur Verhandlung eines Sozialplans wegen der festgelegten EDV-Systemeinführungen oder -Systemänderungen ein Mitbestimmungsrecht aus § 111 BetrVG zustehen könnte, wobei andere Nachteile als Kündigungen auszugleichen wären.
2.) Der Antrag ist indes unbegründet.
Ein Vorlageanspruch des GBR aus § 80 Abs. 2 BetrVG besteht nicht.
Vielmehr enthält das Gesetz für das Verlangen des GBR auf Vorlage der Nolan-Norton-Studie im Wirtschaftsausschuß eine Sonderregelung in §§ 106, 109 BetrVG, die der in § 80 Abs. 2 BetrVG vorgeht.
Auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt sind die Beteiligten auch hingewiesen.
a) Der GBR hatte mehrfach die Vorlage der Studie für den Wirtschaftsausschuß verlangt (Bl. 6, 9 d.A.). Schließlich forderte er Vorlage an sich (Bl. 7, 9, 10 d.A.).
b) Rechtlich enthält das Gesetz eine Konfliktlösung, sofern für die wirtschaftliche Entwicklung des Gesamtunternehmens betreffende schriftliche Informationen vom Arbeitgeber ein besonderes Geheimhaltungsbedürfnis geltend gemacht wird oder der Arbeitgeber sich – wegen von ihm angenommener „Nicht-Erforderlichkeit” dieser Informationen für die Aufgaben des Wirtschaftsausschusses – weigert, bestimmte unterlagen überhaupt vorzulegen.
In diesem Fall hat die Einigungsstelle (in nicht-öffentlicher Sitzung) nach § 109 BetrVG darüber zu entscheiden, ob diese Auskünfte dem Wirtschaftsausschuß zu erteilen und ggfs. unter Vorlage entsprechender Unterlagen zu erläutern sind.
c) Hat zunächst der BR/GBR die Erteilung bestimmter Auskünfte unter Vorlage bestimmter Unterlagen an den Wirtschaftsausschuß verlangt, kann er – in Falls der Weigerung des Arbeitgebers – nicht hernach Vorloge an sich selbst nach § 80 Abs. 2 BetrVG verla...