Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachverständigen- bzw. „Berater”-Zuziehung durch den Betriebsrat

 

Leitsatz (amtlich)

1) Auch im Beschlußverfahren sind richterliche Hinweise dann nicht angezeigt, wenn sie dem Antragsteller-Vorbringen erst zur Schlüssigkeit verhelfen. Im anwaltlich geführten Beschlußverfahren kann ein Beteiligter mit gerichtlichen Hinweisen nur rechnen, wenn ihm sonst aufgrund eines Versehens oder Übersehens eine falsche rechtliche Beurteilung droht (i. Anschl. an BAG vom 26. Juli 1979 – 3 AZR 652/77).

2) Zur Berechtigung des Betriebsrates, ohne vorherige Zustimmung des Arbeitgebers mit Honorarzusage einen fachlich ausgewiesenen, von ihm im gebotenen Umfang nach §§ 79 und 80 Abs. 3 Satz 2 BetrVG zur Geheimhaltung verpflichteten Berater zur Erteilung interessengebundenen aber kompetenten Rats bei der Umsetzung von im Zuge einer größeren EDV-Umstellung erteilten Informationen in eine Betriebsvereinbarung zuzuziehen („Hilfsfunktion” für die Tätigkeit des Betriebsrates, § 40 Abs. 1 BetrVG).

 

Normenkette

BetrVG § 80 Abs. 3, § 40

 

Verfahrensgang

ArbG Wetzlar (Beschluss vom 16.01.1990; Aktenzeichen 1 BV 14/89)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 26.02.1992; Aktenzeichen 7 ABR 51/90)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 16. Januar 1990 – 1 BV 14/89 – teilweise abgeändert.

Auf den Hilfsantrag des Betriebsrats wird festgestellt, daß dieser berechtigt ist, ohne Zustimmung der Antragsgegnerin einen Berater zur Erledigung der mit dem Hauptantrag gestellten Fragen zu 1) und zu 2) auf Kosten der Antragsgegnerin tätig werden zu lassen.

Im übrigen wird die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller (ASt.) (Betriebsrat) mit ggfs. gerichtlich zu ersetzender Zustimmung der Antragsgegnerin (AGg.) den Leiter … als Sachverständigen – hilfsweise: als Berater zur Beantwortung bestimmter Fragen im Zusammenhang mit der Organisations- und EDV-Umstellung im Betrieb der AGg. zuziehen darf.

Im Zuge der Neuordnung des … wurde der Bereich … ausgegliedert und für ihn aus Gründen der Standortkonzentration und einer Verbesserung des Waren- und Materialflusses die AGg. gegründet. Sie beschäftigt ca. 500 Mitarbeiter. Im Zuge der organisatorischen Neustrukturierung erstellte die Unternehmensberatung … Dezember 1988 eine Kurzanalyse zur sog. … Gestaltung. Ferner ließ sich die AGg. im Dezember 1988 eine ca. 400 Seiten starke Studie über die Neustrukturierung ihres EDV-Systems, das von der … Großrechenanlage der … abgekoppelt und auf ihre mittelstandischen Bedürfnisse und einen verbesserten CAD-Maschineneinsatz stärker zugeschnitten werden soll, von der Fa. … erstellen.

Im Laufe des Jahres 1989 und Anfang 1990 informierte die AGg. den ASt. in Hinblick auf dessen Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG über die Einzelheiten der beabsichtigten personenbezogenen Datenverarbeitung in einer Weise, die beide Beteiligten erst- und zweitinstanzlich als „rechtzeitig, vollständig und umfassend” bezeichnet haben (Bl. 52, 58, 98 d.A.). Der Vorsitzende des ASt. und ein weiteres BR-Mitglied nahmen ferner an einer einwöchigen Schulung in April 1989 zum Thema „EDV-Systeme am Arbeitsplatz 91/170” teil (Bl. 41 d.A.) und ferner besuchten 8 von 9 BR-Mitgliedern des ASt. die von der Technologieberatungsstelle … im Zusammenwirken mit der … Verwaltungsstelle Wetzlar am 04.07.1989 durchgeführte Schulung zum Thema „Informationsbedarf von Betriebsräten im Planungsprozeß technisch-organisatorischer Änderungen (Bl. 44, 45 d.A.).

Der ASt. hat sich – unter Hinweis auf einen bereits mit Schreiben vom 05.07.1989 (Bl. 6, 7 d.A.) der AGg. unterbreiteten Fragenkatalog – zur Stützung seines erstinstanzlichen Antrags auf den Standpunkt gestellt, er könne – ungeachtet der erteilten Informationen und der absolvierten Schulung – nicht ohne Sachverständigen beurteilen,

  • welche Informationen noch erforderlich sind, um sämtliche Möglichkeiten der Verhaltens- und Leistungskontrolle im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG abschätzen zu können (Frage 1),
  • wie eine Betriebsvereinbarung aussehen kann, welche die durch die EDV-Umstellung gegebenen Möglichkeiten einer Leistungs- und Verhaltenskontrolle in dem Sinne regelt, daß die Arbeitnehmerinteressen weitgehend berücksichtigt sind (Frage 2),
  • welche arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit bestehen, die durch die EDV-Umstellung betroffen sein können (Frage 3).

Er hat insbesondere hervorgehoben, ohne Sachverständigen oder „externen Berater” nicht in der Lage zu sein, die ihn erteilten fachlichen Informationen arbeitnehmergerecht zu bewerten und in eine Betriebsvereinbarung „umsetzen” zu können (vgl. Aktenvermerk … vom 04.01.1990, Bl. 75–77 d.A.). Bei dem zuzuziehenden Sachverständigen müsse es sich aber um eine Person seines Vertrauens handeln. Als solche hatte er in seinem zunächst gestellten Antrag den damaligen Leiter … bezeichnet (Bl. 2 d....

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