Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Voraussetzungen für die Beiordnung eines nicht ortsansässigen Rechtsanwalts ohne Beschränkungen hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten und Abwesenheitsgeld
Leitsatz (amtlich)
Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts ohne Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Abwesenheitsgeld und Fahrtkosten.
Bei der Entscheidung über die Beiordnung eines nicht am Prozessgericht niedergelassener Rechtsanwalts ist immer zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen Nur wenn dieses nicht der Fall ist, darf ein von der Partei nach § 121 Abs. 1 ZPO gewählten auswärtigen Prozessbevollmächtigten „zu den Bedingungen eines ortsansässiger Rechtsanwalts” mit der Folge beiordnen, dass Reisekosten nicht erstattet werden (im Anschluss an BGH vom 23. Juni 2004 – XII ZB 61/04, Juris)
Normenkette
ZPO § 121; BRAGO § 126
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Beschluss vom 10.11.2003; Aktenzeichen 1 Ca 434/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 10. November 2003 – 1 Ca 434/03 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Klägerin wird mit Wirkung vom 11. September 2003 für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt und zur Wahrnehmung ihrer Rechte in dieser Instanz ausschließlich der Zwangsvollstreckung Rechtsanwalt Thomas Riedwelski beigeordnet.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass kein eigener Beitrag zu leisten ist.
Tatbestand
I.
Die in Lohr am Main wohnende Klägerin arbeitete bei der Beklagten in deren Niederlassung in Schwabach als Druckvorlagenherstellerin. Sie hat über ihren in Stein bei Nürnberg ansässigen Rechtsanwalt unter dem Aktenzeichen 1 Ca 434/03 vor dem Arbeitsgericht Gießen mit Schriftsatz vom 10. September 2003 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. für die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 2. September 2003 nicht aufgelöst worden ist und für weiter Klageanträge beantragt und eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 23. September 2003 abgegeben (Bl. (B) 4 d.A.). Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 10. November 2003 der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt R. beigeordnet – jedoch unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tages- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort (auch Ort des Gerichtstags). Im Gütetermin am 26. November 2003 im Gerichtstag Nidda haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, nach dem das Arbeitsverhältnis aufgrund der ausgesprochenen Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung geendet und in dem Beklagte sich verpflichtet hat, der Klägerin ein Zeugnis nach der Maßgabe des Zwischenzeugnisses vom 28. März 2003 zu erteilen.
Die Klägerin hat mit einem am 14. November 2003 beim Arbeitsgericht eingegangen Schriftsatz Beschwerde gegen den Beschluss vom 10. November 2003 eingelegt, der das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 8. Dezember 2003 nicht abgeholfen hat. Wegen der Begründung der Beschwerde wird auf (Bl. (B) 9 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die als sofortige Beschwerde anzusehende Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig. Sie ist insbesondere auch binnen der gesetzlichen Frist von einem Monat (§ 127 Abs. 2 S. 3 ZPO) eingelegt worden.
Die Beschwerde ist begründet. Die Klägerin kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne eingeschränkte Beiordnung verlangen.
Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO ist im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung zu beachten, dass durch die Beiordnung eines nicht beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts keine Mehrkosten entstehen dürfen. Weil es jedoch bei den Arbeitsgerichten keine Zulassung gibt, und im Übrigen die Änderungen der Zulassungsregeln für Anwälte seit dem 1. Oktober 2000 gelten, kann § 121 Abs. 3 ZPO („Beiordnung zu den Sätzen eines ortsansässigen Anwalts”) im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht mehr entsprechend angewendet werden, so dass die bisherige Rechtsprechung (vgl. Hess. LAG vom 16. Mai 1986 – 14 Ta 124/86) aufzugeben ist.
Allerdings ist nach wie vor der Grundgedanke der Vorschrift, unnötige Reisekosten zu vermeiden, zu beachten. Grundsätzlich kann ein nicht bei dem Prozessgericht niedergelassener Rechtsanwalt nur dann beigeordnet werden, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen. Entsprechend sind nach der für das Verfahren maßgeblichen Regelung des § 126 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. BRAGO Mehrkosten nicht zu vergüten, die dadurch entstehen, dass der am Prozessgericht zugelassene Rechtsanwalt seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das Prozessgericht oder eine auswärtige Abteilung dieses Gerichts befindet. Deshalb wird die Auffassung vertreten, dem könne dadurch ausreichend Rechnung getragen werden, dass die Mehrkosten der Beiordnung auf die der Partei für ein...