Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit der Arbeitsgerichte
Leitsatz (amtlich)
Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3d ArbGG auch dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer den Geschäftsführer einer GmbH aus einer unerlaubten Handlung in Anspruch nimmt, die mit dem Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zur GmbH in Zusammenhang steht (Anschluß an RAG ARS 5, 133)
Normenkette
GVG § 17a; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3d
Verfahrensgang
ArbG Hanau (Beschluss vom 10.11.1993; Aktenzeichen 1 Ca 365/93) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hanau vom 10. Nov. 1993 – 1 Ca 365/93 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf DM 500.– festgesetzt.
Gründe
Der Beklagte wendet sich im Beschwerdewege gegen einen die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen bejahenden Beschluß des Arbeitsgerichts.
Der Beklagte ist Geschäftsführer der …, über deren Vermögen mittlerweile das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Der Kläger war bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Mit seiner Klage nimmt er den Beklagten auf Zahlung von DM 2.804.– brutto nebst Zinsen mit der Begründung in Anspruch, der Beklagte habe das von der Kindergeldkasse des Arbeitsamtes erhaltene, zur Weiterleitung an ihn, den Kläger, bestimmte Kindergeld für die Monate März, April und Mai 1992 nicht ausgezahlt, sondern unterschlagen.
Der Beklagte hat die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen mit der Begründung gerügt, zwischen den Parteien habe kein Arbeitsverhältnis bestanden, er selbst sei nie Arbeitgeber gewesen.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 10. November 1993 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Gegen diesen, hiermit in Bezug genommenen, ihm am 21. Dezember 1993 zugestellten Beschluß wendet sich der Beklagte mit seiner am 4. Januar 1994 beim Beschwerdegericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.
Der Kläger verteidigt den arbeitsgerichtlichen Beschluß.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Die sofortige Beschwerde ist an sich statthaft (§ 48 Abs. 1 ArbGG iVm § 17a Abs. 4 S. 2 GVG), sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 77 Abs. 1 ArbGG, 577 ZPO). Daß der Beklagte seine sofortige Beschwerde nicht sogleich begründet hat, ist unschädlich. Eine Begründung ist für die Zulässigkeit einer Beschwerde, auch einer sofortigen Beschwerde, ohnehin nicht erforderlich.
In der Sache kann die sofortige Beschwerde keinen Erfolg haben, weil das Arbeitsgericht zu Recht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für gegeben erachtet hat.
Da die Entscheidung über die sofortige Beschwerde außerhalb der mündlichen Verhandlung ergeht und ergehen konnte (§ 17a Abs. 4 S. 3 GVG iVm §§ 78 Abs. 1 ArbGG, 577 Abs. 1, 573 Abs. 1 ZPO), hatte sie durch den Vorsitzenden des Landesarbeitsgerichts allein zu erfolgen. Bei einer Entscheidung über eine Beschwerde ohne mündliche Verhandlung wirken die ehrenamtlichen Richter nämlich nicht mit, weil § 53 Abs. 1 ArbGG entsprechend anzuwenden ist (vgl. BAG vom 10.12.1992 – 8 AZB 6/92 – NZA 93, 619 = AP Nr. 4 zu § 17a GVG).
Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für den vorliegenden Streitfall ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3d ArbGG. Denn danach sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen.
Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts läßt sich die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen jedenfalls nach dem bisherigen Sachvortrag nicht aus § 3 ArbGG herleiten. Zutreffend ist zwar, daß das BAG (AP Nr. 2 zu § 3 ArbGG 1979) aus der Vorschrift des § 3 ArbGG abgeleitet hat, daß die Arbeitsgerichte auch zuständig sind, wenn ein Arbeitnehmer den Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft unmittelbar wegen Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft in Anspruch nimmt (sog. Durchgriffshaftung, vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 13 GmbHG). Tatsachen, aus denen sich herleiten ließe, daß der Beklagte nicht nur Geschäftsführer, sondern auch Gesellschafter der in Konkurs gefallenen GmbH ist, hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen, noch sind sie sonstwie ersichtlich. Zwingend ist derartiges nicht, weil zu Geschäftsführern einer GmbH auch Personen bestellt werden können, die nicht Gesellschafter sind.
Dagegen sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 3d ArbGG gegeben. Denn der Beklagte ist als „Arbeitgeber” iSd Vorschrift anzusehen, dem gegenüber der Kläger als Arbeitnehmer Ansprüche aus unerlaubter Handlung (§§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB iVm § 246 StGB) geltend macht, die in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen.
Richtig ist zwar, daß Arbeitgeber im allgemeinen Sinne und auch im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes grundsätzlich nur der jeweilige Gläubiger des Anspruches auf Arbeitsleistung und der jeweilige Schuldner des Arbeitsentgeltes gegenüber den Arbeitnehmern nach § 611 BGB ist (...