Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzelfall eines erfolgreichen Antrags auf Bestellung einer Einigungsstelle aufgrund der Beschwerde eines Arbeitnehmers
Orientierungssatz
1. Der Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens im Sinne der §§ 84, 85 BetrVG ist umfassend. Es muss lediglich ein Zusammenhang zwischen dem Beschwerdegegenstand und dem Arbeitsverhältnis bestehen.
2. Der Begriff des Rechtsanspruchs i S von § 85 Abs 2 S 3 BetrVG ist zur Vermeidung eines Leerlaufs des Mitbestimmungsrechts nach § 85 BetrVG dann eingeschränkt auszulegen, wenn Gegenstand der Beschwerde ein Anspruch ist, der auf regelmäßig nur schwer konkretisierbare Pflichten des Arbeitgebers beruht, etwa dessen Fürsorgepflicht oder dessen Verpflichtung zur Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und zur Wahrung billigen Ermessens (§ 106 S 1 GewO). Insoweit handelt es sich um Rechtsansprüche im weiteren Sinn, die nur schwer justiziabel sind und mit denen regelmäßig auch nicht justiziable Regelungsfragen angesprochen werden, die nicht Gegenstand von Rechtsansprüchen werden können und die im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens nicht selten innerbetrieblich sinnvoller geregelt werden können als im Rahmen eines Rechtsstreits.
Normenkette
BetrVG § 76 Abs. 2 Sätze 2-3; ArbGG § 98; BetrVG § 85 Abs. 1, § 84
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 19.12.2008; Aktenzeichen 22 BV 844/08) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19. Dezember 2009 – 22 BV 844/08 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle aufgrund einer Beschwerde.
Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin ist ein Unternehmen des Bankgewerbes. Der antragstellende Betriebsrat repräsentiert die Arbeitnehmer des A Betriebes der Arbeitgeberin. Im Unternehmen gilt eine Gesamtbetriebsvereinbarung „über die Grundsätze der außertariflichen Grundvergütung” (nachfolgend GBV), die für die betroffenen AT-Mitarbeiter eine Einordnung in bestimmte Funktionsstufen vorsieht. Jeder Funktionsstufe ist ein „Gehaltsband” zugeordnet. Die Festlegung der konkreten Vergütung innerhalb des jeweiligen Gehaltsbandes obliegt der Arbeitgeberin. Zur Gehaltsanpassung ist in Ziffer VII 2 GBV Folgendes geregelt:
„Grundlage für die Gehaltsüberprüfung ist das vom Vorstand jeweils gesondert festgelegte Volumen für Veränderungen der außertariflichen Gehälter innerhalb der Bänder.
Individuelle Gehaltserhöhungen erfolgen unter Berücksichtigung der Ausfüllung der Funktion durch den Mitarbeiter und der Lage seines Ist-Gehaltes zum Band. Je höher der Ausfüllungsgrad der Funktion und je tiefer die jeweilige Lage des Mitarbeiters im Gehaltsband, desto höher soll die Anpassung ausfallen.
Die Anpassung der Gehälter der Mitarbeiter, die die an sie gestellten Erwartungen/Anforderungen in vollem Umfang erfüllen, erfolgt mit dem vom Vorstand jeweils festgelegten Orientierungssatz. Der Orientierungssatz beträgt mindestens 60 % des Prozentsatzes, der der Veränderung des Gesamtvolumens für die Gehaltsanpassung der aT-Gehälter im Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung entspricht.”
Gemäß Ziffer X. GBV gilt der Wechsel zwischen Gehaltsbändern, nicht aber die Einordnung innerhalb des jeweiligen Gehaltsbandes als mitbestimmungspflichtige Umgruppierung. Der beschwerdeführende Arbeitnehmer B ist seit dem Jahr 2001 Leiter der Sorten- und Edelmetallkasse der Arbeitgeberin. Bei der Übernahme der Position erstreckte sich das für die Stelle geltende Gehaltsband von DM 7.200 bis DM 9.400 pro Monat. Der Beschwerdeführer erhielt zunächst DM 7.400 pro Monat, während sein Vorgänger DM 9.400 erhalten hatte. Zum Ausgleich der niedrigeren Vergütung von dessen neuer Position zahlte die Arbeitgeberin an ihn später einen Ausgleich in Höhe von EUR 54.000, mit dem die Kostenstelle der Sorten- und Edelmetallkasse belastet wurde. Nachdem der Beschwerdeführer davon Kenntnis erlangte, richtete er seine Beschwerde mit Schreiben vom 01. Juli 2008 an den Betriebsrat, da er seine aktuelle Monatsvergütung von EUR 4.900 innerhalb des derzeitigen Gehaltsbandes von EUR 4.380 bis EUR 5.535 als unangemessen betrachtet. In dem Schreiben heißt es:
„Da ich mich nunmehr in dieser Angelegenheit ungerecht im direkten Vergleich mit meinem Vorgänger behandelt fühle, wende ich mich in dieser Angelegenheit ganz offiziell an den BR, da ich der Meinung bin, dass ich über Jahre hinweg offensichtlich zuwenig Gehalt bekommen habe und auch aktuell immer noch zu tief im Gehaltsband eingestuft bin. Außerdem stimmt seit dieser Zahlung mindestens die Aussage nicht mehr, dass für individuelle Zahlungen bzw. Anpassungen kein Geld vorhanden sei. Damit fühle ich mich ganz offensichtlich getäuscht. Ich hoffe daher, dass der BR mir in dieser Angelegenheit zur Seite steht, und dass letztendlich die mir so entstandenen finanziellen Nachteile ausgeglichen werden. Wünschenswert wären hier Gehaltsnachzahlungen sowie eine deutlich höhere Einstufung im Gehaltsband der FS 1, die sich tatsäch...