rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterrichtungs- und Beratungsrechte
Leitsatz (amtlich)
Es stellt eine grobe Verletzung der Pflichten eines Arbeitgebers aus dem BetrVG dar, wenn er den Betriebsrat immer wieder so spät über die Planung von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von betrieblichen Räumen oder von Umzügen innerhalb eines Gebäudes informiert, daß der Betriebsrat diese Pläne aus faktischen Zwängen heraus nur noch zur Kenntnis nehmen kann, ohne daß eine realistische Chance besteht, eventuelle Vorschläge und Bedenken noch umzusetzen (Rechtsbeschwerde zugelassen)
Normenkette
BetrVG § 23 Abs. 3, § 90
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 11.09.1991; Aktenzeichen 1 BV 9/91) |
Tenor
Auf die Beschwerde des antragstellenden Betriebsrats wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Offenbach vom 11. September 1991 – 1 BV 9/91 – teilweise abgeändert:
1) Dem Arbeitgeber wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu DM 20.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufgegeben, es zu unterlassen, Veränderungen von Arbeitsplätzen sowie Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von Verwaltungs- und sonstigen betrieblichen Räumen abschließend zu planen oder zu verwirklichen, bevor er mit dem Betriebsrat über die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmer beraten hat.
2) Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um Mitbestimmungsrechte nach §§ 90 und 89 Abs. 2 BetrVG (§§ohne Gesetzesangabe sind im folgenden solche des BetrVG).
Der Antragsteller ist der bei der Antragsgegnerin (im folgenden: der Arbeitgeber) gebildete Betriebsrat. Der Arbeitgeber unterhält in Dietzenbach die deutsche Niederlassung eines schwedischen Automobilkonzerns, dessen Produkte er in Deutschland vertreibt.
Anlaß zum Streit über die Verletzung von Unterrichtungs- und Beratungsrechten im Sinne des § 90 BetrVG gaben folgende Vorfälle:
Am 03.08.1990 teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, daß die LKW-Division der Region West von Castrop-Rauxel nach Köln verlegt werde und die Räume ab dem 15.09.1990 angemietet seien. Am 15.08.1990 ging beim Betriebsrat der Antrag auf Zustimmung zur Versetzung der fünf betroffenen Arbeitnehmer gemäß § 99 BetrVG ein (Bl. 9 d. A.).
Mit Schreiben vom 14.08. und 22.08.1990 bat der Betriebsrat um Informationen über die Räumlichkeiten und fragtenach dem Ausgleich von umzugsbedingten Nachteilen. Er rügte einen Verstoß gegen § 111 BetrVG und bat darum, die Maßnahmen bis zum Ende der Verhandlungen nicht durchzuführen.
Der Arbeitgeber übersandte ein Formular vom 23.08.1990 „betriebliche Unterrichtung und Beratung nach § 90 BetrVG” mit dem Grundriß der Räume (Bl. 11 bis 13 d. A.), in dem „schnellstens, falls erforderlich” ein Beratungstermin mit …, dem zuständigen Abteilungsleiter für die inneren Dienste, vorgeschlagen wurde.
Am 23.08.1990 fand ein Gespräch in Castrop-Rauxel statt, an dem unter anderem die vom Umzug betroffene Mitarbeiterin …, die Ersatzmitglied des Betriebsrats ist, die Betriebsratsvorsitzende … die von Frau … als Betriebsratsmitglied ihres Vertrauens zu diesem Gespräch zugezogen worden war, und der damalige Personalleiter teilnahmen. Dieser vertrat die Ansicht, daß die Umzugsfolgen durch eine Zusatzvereinbarung zu einem Sozialplan geregelt seien.
In diesem Zusammenhang behauptet der Betriebsrat, Frau … habe Herrn … von Anfang an ausdrücklich darauf hingewiesen, sie sei nicht als Betriebsratsvorsitzende, sondern in ihrer Funktion gemäß § 82 Abs. 2 BetrVG anwesend (Beweis: Zeugnis Frau … und Frau …). Der Arbeitgeber hingegen behauptet, Herr sei davon ausgegangen, er verhandele mit Frau auch in ihrer Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzende im Sinne des § 90 BetrVG (Beweis: Zeugnis Herr …).
Am 03.09.1990 bestätigte der Betriebsrat, er habe die Mitteilung gemäß § 90 und die Stellungnahme des Arbeitsmediziners und der Arbeitssicherheitsfachkraft erhalten. Es bestünden gegen die Räumlichkeiten als solche keine Einwände. Es werde allerdings weiterhin ein Interessenausgleich für erforderlich gehalten (Bl. 15 d. A.). In seiner Antwort vom 05.09.1990 (Bl. 16 d. A.) vertrat der Arbeitgeber die Ansicht, alle erforderlichen Beratungen seien in dem Gespräch vom 23.08.1990 erfolgt. Dem widersprach der Betriebsrat nochmals mit Schreiben vom 18.09.1990 (Bl. 17, 18 d. A.).
Durch Mitteilung vom 24.08.1990 wurde der Betriebsrat darüber informiert, daß die Einrichtung und Eröffnung eines neuen regionalen Verkaufsbüros in Berlin-Ost geplant sei. Am 07.09.1990 folgte ein Lageplan der Räume. Die entsprechenden Räume waren schon angemietet worden.
Am 01.10.1990 erhielt der Betriebsrat ein Formular „Unterrichtung und Beratung gemäß § 90 BetrVG” vom 17.07.1990, in dem die Einrichtung eines PC-Arbeitsplatzes der Frau … angekündigt wurde, nebst einer Büroskizze. Der Arbeitsplatz werde bildschirmgerecht gestaltet. Ähnliches geschah bezüglich der Mitarbeiter … und … Durch Schreiben vom 17.10.1990 rügte der Betriebsrat, daß die Stellungnahme des ...