Entscheidungsstichwort (Thema)
Einschränkung von Mitbestimmungsrechten. Einstellung
Leitsatz (redaktionell)
Dem Arbeitgeber kann in einer Betriebsvereinbarung nicht gestattet werden, bis zu 30% Zeitarbeitnehmer gegenüber dem Stammpersonal jederzeit und dauerhaft ohne Zustimmung des Betriebsrats im Einzelfall einzusetzen.
Normenkette
BetrVG § 99
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Beschluss vom 25.01.2011; Aktenzeichen 4 BV 19/10) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 1 ABN 21/12) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberinnen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 25. Januar 2011 – 4 BV 19/10 – teilweise abgeändert und der Tenor zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst.
Es wird festgestellt, dass die Arbeitgeberinnen verpflichtet sind, vor der tatsächlichen Arbeitsaufnahme von Leiharbeiternehmer/innen im Distribution Center A die Zustimmung des Betriebsrats auch dann einzuholen, wenn der Anteil der Leiharbeitnehmer/innen gegenüber dem Stammpersonal 30 % nicht überschreitet.
Im Übrigen wird der Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten über den Umfang von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern.
Die Beteiligten zu 2) und 3) (im Folgenden: Arbeitgeberinnen) sind Unternehmen, die zur Branche der chemischen Industrie gehören. Sie betreiben einen gemeinsamen Betrieb in A – das sog. Distribution Center-, in dem u. a. Kosmetik- und Pflegeprodukte hergestellt werden. Der 11köpfige Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betriebsrat) repräsentiert die ca. 515 Arbeitnehmer / innen.
Am 08. Dezember 2009 schlossen die Rechtsvorgängerinnen der Beteiligten zu 2) und 3) mit dem seinerzeit gebildeten Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit im Distribution Center der B, Standort A.” In § 18 wurde u. a. Folgendes geregelt.
„§ 18 Jahresteilzeitarbeit / zusätzliches Personal …
II. Mitarbeiter aus Arbeitnehmerüberlassung (Leih-AN)
Am Standort A sind zudem regelmäßig Mitarbeiter / innen von Zeitarbeitsunternehmen im Einsatz, um auf die schwankende Auslastung bestmöglich reagieren zu können. Der Einsatz von bis zu 30 % Zeitarbeitnehmer (berechnet aus dem Durchschnitt der beschäftigten Zeitarbeitnehmer) gegenüber dem Stammpersonal ist jederzeit und dauerhaft ohne Zustimmung des Betriebsrats im Einzelfall zulässig. Bei der Überschreitung dieses Wertes ist der Einsatz zusätzlichen Zeitpersonals mit dem Betriebsrat abzustimmen.
Kommt es im Bereich des DCW zu vakanten Positionen, die nicht durch Stammpersonal besetzt werden können, so sollten Zeitarbeitskräfte, die mindestens ein Jahr im DCW eingesetzt waren und sich durch ihre Leistung ausgezeichnet haben nach Möglichkeit vorrangig bei der Einstellung (befristet oder unbefristet) berücksichtigt werden. Die endgültige Entscheidung hierüber liegt, in Abstimmung mit dem Betriebsrat, in den Händen der Geschäftsleitung.
§ 20 Schlussbestimmungen
Diese Vereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft und ist erstmalig mit einer Frist von drei Monaten zum 01.08.2012 und sodann mit einer Frist von drei Monaten jeweils zum Folgejahr kündbar.”
Mit Schreiben vom 22. März 2010 kündigte der Betriebsrat die Betriebsvereinbarung außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise mit gesetzlicher Frist und weiter hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Die Kündigung wurde von den Arbeitgeberinnen nicht akzeptiert. Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Beteiligten im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird im Übrigen auf den tatbestandlichen Teil der Gründe des angefochtenen Beschlusses (Bl. 54 – 57 d. A.) Bezug genommen.
Durch Beschluss vom 25. Januar 2011 hat das Arbeitsgericht Darmstadt festgestellt, dass die Arbeitgeberinnen verpflichtet sind, vor jeder Einstellung von Leiharbeitnehmern und Leiharbeitnehmerinnen das Verfahren nach den §§ 99 ff. BetrVG einzuhalten und dabei insbesondere vor der Einstellung und tatsächlichen Beschäftigung die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Zur Begründung hat es – kurz zusammengefasst – Folgendes ausgeführt: Die vom Betriebsrat angegriffene Klausel sei unwirksam, weil er faktisch auf sein Mitbestimmungsrecht aus § 99 Abs. 1, 2 BetrVG verzichte. Der Betriebsrat könne sein Mitbestimmungsrecht nicht in der Weise ausüben, dass er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffne. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (Bl. 57 – 59 d. A.) ergänzend Bezug genommen. Gegen den am 31. März 2011 zugestellten Beschluss haben die Arbeitgeberinnen am 15. April 2011 Beschwerde eingelegt und das Rechtsmittel – nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis 30. Juni 2011 – mit dem beim Hessischen Landesarbeitsgericht am 29. Juni 2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Arbeitgeberinnen verfolgen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Antragsbeg...