Leitsatz (amtlich)

Der Beschluß behandelt die Frage, ob das Arbeitsgericht gehindert ist, den wegen kündigungsabhängiger Ansprüche des Arbeitnehmers geführten Zahlungsprozeß bis zur Rechtskraft der im Kündigungsprozeß zu treffenden Entscheidung auszusetzen. Diese Frage wird vorbehaltlich der Feststellung ermessensfehlerhafter Erwägungen verneint.

 

Normenkette

ZPO § 148

 

Verfahrensgang

ArbG Wetzlar (Beschluss vom 04.08.1987; Aktenzeichen 1 Ca 286/87)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin vom 11.08.1987 gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 04.08.1987 – 1 Ca 286/87 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Der Beschwerdewert wird auf DM 9.640,– festgesetzt.

 

Gründe

Die gem. § 252 ZPO statthafte Beschwerde ist nicht begründet. Es bleibt dahingestellt, ob das Arbeitsgericht ohne Ermessensspielraum aussetzen mußte (vgl. Beiersmann, NZA 1987 S. 196). Denn selbst wenn es – wie die Klägerin meint – hierbei einen Ermessenspielraum hatte, so hat es von seinem Ermessen jedenfalls nicht fehlerhaft Gebrauch gemacht. Gesichtspunkte der Beschleunigung des Kündigungsschutzprozesses können bei der Aussetzung des selbständig geführten Lohnzahlungsstreits keine entscheidende Rolle spielen. Denn der Kündigungsschutzprozeß wird durch die Aussetzung des Lohnprozesses in keiner Weise berührt, insbesondere nicht in seiner Erledigung verzögert. Es erscheint auch wenig überzeugend, den im fortgeführten Lohnzahlungsprozeß vor der Erledigung des Kündigungsschutzprozesses unterliegenden Arbeitgeber auf die Möglichkeit der Einstellung der Zwangsvollstreckung zu verweisen. (So LAG Nürnberg, NZA 1987 S. 211) Hat ein solcher Antrag nämlich Erfolg, so steht sich der Arbeitnehmer nach dem in erster Instanz (möglicherweise teuer und mühevoll) durchgeführten Zahlungsprozeß nicht besser als nach dessen Aussetzung. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung liegt überdies zur Vermeidung eines Folgeprozesses gem. § 717 ZPO nahe, wenn das Obsiegen des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozeß zweifelhaft erscheint. Auch aus der Rechtssprechung des Großen Senats des BAG zum Weiterbeschäftigungsanspruch kann für die vorliegende Fragestellung nichts gewonnen werden. Denn der Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nach erstinstanzlich gewonnenem Kündigungsschutzprozeß ergibt sich letztlich aus einer Abwägung der Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers. Für den Ausgang dieser Abwägung ist die Beurteilung der Kündigung durch das erstinstanzliche Gericht von zentraler Bedeutung. Würde der Weiterbeschäftigungsprozeß ausgesetzt, bis über die Wirksamkeit der Kündigung rechtskräftig entschieden ist, so hätte dies zur Folge, daß sich das Arbeitsgericht der vorerwähnten Interessenabwägung geradezu entzieht und der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zur Beendigung des Kündigungsprozesses jede Grundlage nimmt. Auf eine solche ausspruchsbegründende Interessenabwägung kommt es bei der rechtlichen Beurteilung des Zahlungsanspruches des Arbeitnehmers aber überhaupt nicht an. Hier entscheidet allein, ob der Arbeitnehmer über den durch die Kündigung gesetzten Endzeitpunkt hinaus u. a. gemäß § 615 BGB Zahlungsansprüche hat, wenn die Richtigkeit des erstinstanzlichen Festsstellungsurteils unterstellt wird. Ob das Arbeitsgericht diese Frage vor der endgültigen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung beantwortet oder die Antwort hierauf gem. § 148 ZPO zurückstellt, liegt in seinem Ermessen. Bei der Ausübung dieses Ermessens wird es auf die Erfolgsaussichten der Berufung des Arbeitgebers, auf die wirtschaftliche Situation des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers sowie auf prozeßökonomische Gesichtspunkte abzustellen haben. Das alles ist hier ersichtlich geschehen. Wenn der letztgenannte Gesichtspunkt im vorliegenden Falle in den Vordergrund getreten ist, so kann dies angesichts der Zahl, der Art. und des Gewichtes der Einwände der Beklagten gegen den Grund und die Höhe der von der Klägerin erhobenen Ansprüche (Bl. 7, 11, 20–23 d.A.) nicht beanstandet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

Der Beschwerdewert ist gem. § 3 ZPO auf 20 % der eingeklagten Gesamtforderung (Bl. 9 d.A.) festgesetzt worden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI976292

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