Leitsatz (amtlich)

Die Beschwerdekammer kann sich in voliegendem Fall den vom BAG (Beschl. v. 30.11.1984 – 2 AZN 572/82) vorgegebenen Ermessensrichtwerten für einen Feststellungsantrag gegen die Wirksamkeit einer Befristung nicht anschließen und bleibt bei ihrer bisherigen Rechtsprechung.

 

Normenkette

ArbGG § 12 Abs. 7 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wetzlar (Beschluss vom 30.09.1985; Aktenzeichen 2 Ca 203/85)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Kläger-Vertreters vom 22.10.1985 wird der Wertfestsetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 30.9.1985 – 2 Ca 203/85 – teilweise abgeändert.

Der Gegenstandswert für die Klage und den Vergleich wird auf je DM 8.840,– heraufgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Gegen diesen Beschluß ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, § 78 II ArbGG.

 

Gründe

1. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Arbeitsgericht in Anlehnung an das Bundesarbeitsgericht (Beschluß vom 30.11.1984 – 2 AZN 572/82) den Gegenstandswert für eine Feststellungsklage gegen die Wirksamkeit einer Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum Abschluß eines bestimmten Exportauftrages, die um einen Kündigungsschutzantrag gegen eine vorsorgliche Folgekündigung erweitert wurde, und den Vergleich auf je DM 5.893,12 festgesetzt, das sind 2 Monatsbezüge nach mehr als 6 – und weniger als 12-monatigem Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Gegen den am 9.10.1985 zugestellten Beschluß hat der Kläger-Vertreter am 22.10.1985 Beschwerde eingelegt, mit der er den Gegenstandswert auf 3 Monatsbezüge heraufgesetzt haben will.

2. Die gemäß § 10 III BRAGO zulässige Beschwerde ist gemäß § 12 VII S. 1 ArbGG begründet. Die genannte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gibt jedenfalls für den vorliegenden Fall keinen Anlaß, von der bisherigen kontinuierlichen Rechtsprechung des Beschwerdegerichtes abzugehen.

a) Soweit sich das Bundesarbeitsgericht a.a.O. auf S. 8 – 18 mit der Frage auseinandersetzt, ob § 12 VII S. 1 ArbGG einen „Regelwert” oder nur einen „Höchstwert” vorgibt, hilft die Entscheidung nicht weiter – auch wenn dort die Rechtsprechung des Beschwerdegerichtes auf S. 8 unten, S. 10 unten einerseits und S. 13 unten andererseits scheinbar widersprüchlich wiedergegeben wird. Dem Bundesarbeitsgericht ist ohne weiteres zuzugeben, daß § 12 VII S. 1 als Norm keinen gesetzlichen Regelwert sondern normativ nur einen Höchstwert vorgibt. Gleichwohl kann ein im Interesse des Gleichheitssatzes notwendig einheitlicher und damit zwingend typisierender Ermessensvollzug in seiner tatrichterlichen Anwendung und aufgrund gehäufter Erfahrung sehr rasch Ermessensrichtwert werden, der vielfach als „Regelwert” bezeichnet wird – was das Bundesarbeitsgericht mit seiner Fragestellung nicht genügend unterschieden hat. Nach diesen 10 Seiten Normauslegung des BAG a.a.O. bleibt noch offen, nach welchem Maßstab, wie rasch und wie oft im tatsächlichen Normvollzug der Höchstwert erreicht und zum Regelfall wird, und wie selten ein solcher „Regelwert” ausnahmsweise nicht gegeben ist. Nicht zu überzeugen vermag der genannte Beschluß in diesem Zusammenhang auch, wenn er sich einerseits auf S. 19 unten, besonders S. 20,1. Absatz am Ende gegen jeden typisierenden Ermessensvollzug (anderer Instanzen!) ausspricht, dann aber selbst auf S. 21, S. 23, 24 und im amtlichen Leitsatz Nr. 4 den eigenen, typisierenden Ermessensvollzug anderen Instanzen zur Nachahmung empfiehlt.

b) Anzuschließen vermag sich das Beschwerdegericht insbesondere nicht den Ausführungen a.a.O. auf S. 18, mit denen das BAG die Bewertung einer Feststellungsklage gegen die Wirksamkeit einer Befristung gerade für Fälle einer objektiven Umgehung des KSchG dem Kündigungsschutzantrag gleichstellen will. Gerade der vorliegende Befristungsfall zeigt, daß das zu bewertende wirtschaftliche Interesse eines Klägers über den punktuellen Streitgegenstand eines Kündigungsschutzbegehrens deutlich hinausgehen kann, ebenso wie es umgekehrt hinter dem Streitgegenstand nicht nur bei Feststellungs- und Zahlungsklagen gegen den Konkursverwalter zurückbleiben kann. Allem Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreites war klar, daß von der Wirksamkeit der Befristung abhing, ob der Kläger nach Fristablauf in einem Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Dauer steht oder arbeitslos wird. Vor dem Hintergrund anhaltender Arbeitslosigkeit und eines überproportionalen Arbeitslosigkeitsrisikos für den Kläger, einem jüngeren Türken in einem Anlernberuf, kann sein Interesse an dem Feststellungsantrag gar nicht hoch genug veranschlagt werden.

c) Die von dem BAG a.a.O. empfohlene Regelorientierung stellt nach Ansicht der Beschwerdekammer zu stark auf die vorangegangene Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses ab (S. 231. Absatz). Damit können Fälle wie der vorliegende nicht ausreichend erfasst werden, aber auch nicht fristlose Kündigungen mit ihrem oft hohen Stellenwert für das persönliche Selbstverständnis der Parteien. Zudem sind die empfohlenen Ermessensrichtwerte von 1 Monatsbezug für die ersten 6 Monate und 2 Bezügen bis zu 1 Jahr eher an der dem Gericht...

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