Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstellung der Zwangsvollstreckung. Prozessvergleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Streit um die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs wegen dessen Anfechtung findet § 707 ZPO und nicht § 769 ZPO entsprechende Anwendung. Die entsprechende Anwendung von § 707 ZPO führt zum grundsätzlichen Ausschluss der die Anfechtungsmöglichkeit bejahenden oder verneinenden Einstellungsentscheidung (§ 707 Abs. 2 S. 2 ZPO).

2. Ein Fall der ausnahmsweisen Anfechtbarkeit der Entscheidung nach § 707 ZPO wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit liegt nicht deshalb vor, weil das Arbeitsgericht die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Prozessvergleich wegen dessen Anfechtung von der Voraussetzung des § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG (Glaubhaftmachung eines nicht zu ersetzenden Nachteils) abhängig macht. Ob in diesem Zusammenhang auch die Erfolgsaussichten der Anrechtung zu prüfen sind, bleibt unentschieden.

 

Normenkette

ZPO §§ 707, 769, 794 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Beschluss vom 19.05.2002; Aktenzeichen 2 Ga 8/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 19. Juni 2002 – 2 Ga 8/02 – wird auf Kosten der Verfügungsbeklagten als unzulässig verworfen.

Der Beschwerdewert wird auf EUR 10.000,00 festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerdeführerin, die im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens mit der Beschwerdegegnerin am 12. April 2002 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen hatte, worin u.a. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 30. Juni 2002 sowie die Zahlung einer Abfindung durch die Beschwerdeführerin an die Beschwerdegegnerin in Höhe von EUR 115.000,00 vereinbart wurde, und die diesen Vergleich mit Schreiben vom 25. April 2002 gegenüber der Beschwerdegegnerin angefochten und das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hat, wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts, durch den ihr Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich zurückgewiesen worden ist. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

Die Beschwerde der Beklagten ist unzulässig. Denn gem. § 62 Abs. 2 ArbGG iVm § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO ist der Beschluss des Arbeitsgerichtes unanfechtbar. § 62 Abs. 2 ArbGG verweist auf die Vorschriften des 8. Buches der Zivilprozessordnung. Nach § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO findet eine Anfechtung des Beschlusses über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach dieser Bestimmung nicht statt (vgl. Kammerbeschluss v. 04.03.2002 – 16 Ta 58/02 AR-Blattei ES 1890 Nr. 55).

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung über die Einstellung der Zwangsvollstreckung ausdrücklich auf § 707 ZPO gestützt. Das ist zutreffend. Bei Anfechtung eines Prozessvergleichs, wie hier, ist § 707 ZPO nämlich entsprechend anzuwenden. Das entspricht weit überwiegender Meinung in Rspr. und Literatur (vgl statt vieler: Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl. 2002 § 707 ZPO Rz. 1 m.w.N. in Fn. 1). Dem folgt die Beschwerdekammer. Regelungszweck des § 707 ZPO ist es, die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungstitel zu verhindern, dessen Bestand mittlerweile zweifelhaft geworden ist. Genau so ist es nicht nur in den in § 707 ZPO ausdrücklich genannten Fällen, sondern auch dann, wenn es um den Streit um die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs mit dem Einwand geht, dieser sei von Anfang an nichtig (hier wegen seitens der Beschwerdeführerin erklärter Anfechtung nach § 123 BGB) geht. § 769 ZPO passt demgegenüber deshalb nicht, weil diese Vorschrift die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage verlangt und diese nur nach Vergleichsabschluss entstandene Einwendungen, die nicht zur rückwirkenden Nichtigkeit des Vergleichs führen, betreffen kann. Die von der Beschwerdeführerin herangezogene Entscheidung des LAG Nürnberg (07.05.1999 BB 1999, 1387) besagt nichts anderes, da es in dem dort entschiedenen Fall nicht um die Anfechtung eines Vergleichs ging.

Weil § 707 ZPO auf das Begehren auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem nach § 123 BGB angefochtenen Prozessvergleich entsprechende Anwendung findet, musst dies auch für den in § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO enthaltenen Rechtsmittelausschluss gelten (vgl. LAG Düsseldorf 04.12.1962 NJW 1963, 555). Denn dieser ist integraler Bestandteil des Regelungsinhalts von § 707 ZPO.

Es liegt hier auch kein Fall ausnahmsweiser Zulässigkeit der Anfechtbarkeit vor. Insoweit kann es dahinstehen, ob Beschlüsse wie der vorliegende nur bei greifbarer Gesetzeswidrigkeit oder bereits dann anfechtbar sind, wenn der Vorderrichter das ihm eingeräumte Ermessen verkannt hat (vgl. zum Streitstand: LAG Thüringen 29.12.1997 a.a.O.; OLG Karlsruhe 20.04.1993 MDR 1993, 798). Denn weder nach der einen, noch nach der anderen Auffassung kann hier eine Anfechtbarkeit bejaht werden.

Von greifbarer Gesetzeswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses kann keine Rede sein. Greifbar gesetzeswidr...

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