Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen der Verkennung des Betriebsbegriffs hinsichtlich der Wirksamkeit der Wahl der Delegierten für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat in der Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Delegiertenwahl zur Folge. Dies gilt auch, wenn die Wahl unter Anwendung eines unwirksamen Tarifvertrags nach § 3 Absatz 1 Nr. 1-3 BetrVG erfolgte.
2. Die in einem Tarifvertrag nach § 3 Absatz 1 Nr. 3 BetrVG vereinbarte Struktur muss zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen „besser geeignet“ sein, als die gesetzliche. Dies ist nicht der Fall, wenn die Tarifvertragsparteien vereinbaren, dass in einem Gemeinschaftsbetrieb zwei Betriebsräte gebildet werden.
Normenkette
MitbestG § 21
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 11.10.2018; Aktenzeichen 20 BV 209/18) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsteller zu 1-3 und 4-8 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Oktober 2018 – 20 BV 209/18 – unter Zurückweisung der Beschwerden im Übrigen teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die am 23. März 2018 abgeschlossene Wahl der Delegierten für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer unwirksam war.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Wahl der Delegierten für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer.
Die Antragsteller zu 1-8 sind wahlberechtigte Arbeitnehmer der Beteiligten zu 9 (Arbeitgeber). In der Zeit vom 19. bis 23. März 2018 fand die Wahl der Delegierten für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat des Arbeitgebers statt, bei der die Beteiligten zu 12-32 als Delegierte gewählt wurden. Das Wahlergebnis wurde am 23. März 2018 bekannt gegeben.
Mit einem am 5. April 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz haben die Antragsteller zu 1-3 die Delegiertenwahl angefochten. Zur Begründung haben sie sich darauf berufen, dass ab 15. bis zum Ende der Wahl am 23. März 2018 durch andere Wahlbewerber Handzettel mit ehrverletzendem Inhalt über die Antragsteller zu 1-3 und deren Liste „A“ im Betrieb verteilt wurden; insoweit wird auf den Inhalt des Handzettels, Bl. 28-30 der Akte, Bezug genommen.
Die Beteiligten zu 4-8 haben ihre gleichfalls am 5. April 2018 beim Arbeitsgericht eingegangene Anfechtung der Delegiertenwahl darauf gestützt, dass bei der Auszählung der Stimmen 2 Hochleistungsscanner eingesetzt wurden, die erkennen, welche Liste auf einem Stimmzettel angekreuzt ist und die Stimmen elektronisch dieser Liste zuordnen können.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 176-182 der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat -soweit im Beschwerdeverfahren von Interesse- die Anträge zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 182-189 der Akte) verwiesen.
Dieser Beschluss wurde dem Vertreter der Antragsteller zu 4-8 am 30. November 2018 und dem (damaligen) Vertreter der Antragsteller zu 1-3 am 10. Dezember 2018 zugestellt. Die Beschwerden der Vertreter der Antragsteller zu 1-3 und 4-8 sind am 27. Dezember 2018 eingegangen. Nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist für die Antragsteller zu 4-8 bis 20. Februar 2019 ist die Beschwerdebegründung der Antragsteller zu 4-8 am 18. Februar 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist für die Vertreterin der Antragsteller zu 1-3 bis 11. März 2019 ist die Beschwerdebegründung der Antragsteller zu 1-3 am 5. März 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
Die Antragsteller zu 1-3 sind der Auffassung, entgegen der Meinung des Arbeitsgerichts sei die Wahl der Delegierten wegen Wahlbehinderung durch die Verteilung des Flugblattes nichtig, hilfsweise unwirksam. Das Flugblatt enthalte keine Eigendarstellung, sondern ausschließlich Anfeindungen der Liste „A“ und der Antragsteller zu 1-3. Durch die Behauptungen in dem Flugblatt werde die freie Willensbestimmung massiv beeinträchtigt. Wahlberechtigte hätten die Liste „A“ nicht gewählt, da sie in dem Flugblatt als kriminell bezeichnet wurde. Dies gehe aus verschiedenen E-Mails, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 349 ff. der Akte Bezug genommen wird, hervor.
Unabhängig hiervon sei die Wahl der Delegierten nichtig, hilfsweise anfechtbar, da der Betriebsbegriff verkannt worden sei und nicht alle Wahlberechtigten an der Wahl teilnehmen konnten. Der Arbeitgeber (Beteiligter zu 9) unterhalte einen Gemeinschaftsbetrieb mit der B und der C. Die Arbeitnehmer der C haben (unstreitig) an der Wahl der Delegierten für die Aufsichtsratswahl nicht teilgenommen.
Die Antragsteller zu 4-8 rügen, das Arbeitsgericht habe verkannt, das...