Anfechtung der Betriebsratswahl bei Porsche erfolgreich

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat die Betriebsratswahl bei Porsche vom 18. März 2022 für unwirksam erklärt. Das Gericht entschied, dass bei der Wahl gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechtes verstoßen worden war.

Bei der Wahl des 41-köpfigen Porsche-Betriebsrats waren insgesamt 10.884 Stimmen abgegeben worden. Im März 2022 hatte bei Porsche im Rahmen des üblichen vierjährigen Wahlturnus eine gemeinsame Betriebsratswahl in den Betrieben Zuffenhausen, Ludwigsburg und Sachsenheim stattgefunden. Beteiligt an der Wahl waren aber auch 102 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der  Porsche Dienstleistungs-GmbH am Standort Leipzig. Mehrere wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hatten beim Arbeitsgericht Stuttgart beantragt, die Betriebsratswahl vom 18. März 2022 für unwirksam zu erklären, weil die Leipziger Kollegen nicht wahlberechtigt gewesen seien. Der Standort Leipzig sei ein eigenständiger Betrieb und hätte daher nicht mitwählen, sondern einen eigenen Betriebsrat wählen müssen.

Betriebsbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes fehlinterpretiert

Dieser Auffassung schloss sich auch das Arbeitsgericht Stuttgart an. Es entschied, die Wahl habe unter Verkennung des sogenannten Betriebsbegriffs stattgefunden, was einen Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes darstelle. An der Wahl hätten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Standort Leipzig nicht teilnehmen dürfen. Dieser Fehler habe sich auch auf das Wahlergebnis ausgewirkt. In einem Porsche-Haustarifvertrag aus dem Jahr 2013 habe man den Standort Leipzig in die Zuständigkeit des Betriebsrats Zuffenhausen/Ludwigsburg/Sachsenheim mit einbezogen. Dies habe aber durch einen Haustarifvertrag nicht wirksam erfolgen können.

Tarifvertragliche Festlegung der Betriebsratsstruktur nur bei besserer Eignung möglich

Das Betriebsverfassungsgesetz ermögliche zwar in seinem § 3 Abs. 1 Nr. 3, durch Tarifvertrag vom Gesetz abweichende Arbeitnehmervertretungsstrukturen zu bestimmen. Die Tarifvertragsparteien könnten jedoch über die gesetzlichen Arbeitnehmervertretungsstrukturen nicht frei disponieren. Das Betriebsverfassungsgesetz gehe von dem Grundsatz aus, dass weit auseinanderliegende Betriebe einen eigenen Betriebsrat wählen. Eine tarifvertraglich vereinbarte Struktur müsse daher zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen "besser geeignet" sein als die gesetzliche. Dies sei vorliegend nicht ersichtlich. So sei die Ausübung der Mitbestimmungsrechte durch einen eigenen Betriebsrat vor Ort in Leipzig besser und effektiver gewährleistet als durch einen Betriebsrat, der über 450 km entfernt sei.

Videokonferenzen schaffen bei großer Entfernung keine Nähe

Eine andere Wertung ergibt sich nach Ansicht des Gerichts auch nicht durch die Möglichkeit der Nutzung moderner Kommunikationsmittel wie beispielsweise Videokonferenzen. Der Argumentation der Arbeitgeberseite, wegen der standortübergreifenden Entscheidungsstruktur sei die Interessenvertretung der Belegschaft am Standort Leipzig durch die tarifvertragliche Regelung wirkungsvoller als in einem eigenen Betriebsratsgremium in Leipzig, folgte das Arbeitsgericht Stuttgart nicht. Ebenso wenig überzeugte das Gericht der Verweis auf eine größere Durchsetzungsmacht eines gemeinsamen Betriebsrats.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, weshalb der 2022 gewählte Betriebsrat vorerst noch im Amt bleibt. Arbeitgeber und Betriebsrat können binnen Monatsfrist nach Zustellung der schriftlichen Gründe Beschwerde beim dafür zuständigen Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg einreichen.

Hinweis: Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 6. April 2023, Az. 21 BV 54/22


Das könnte Sie auch interessieren:

Wann Arbeitnehmer einen Betriebsrat gründen dürfen

Keine Unterlagen auf Papier für den Betriebsrat

Gorillas' Betriebsratswahl am Standort Schöneberg darf nicht stattfinden