Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der Versetzung i.S. von §§ 99, 100 BetrVG

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Zuordnung zu einer neuen Führungskraft bewirkt auch ohne eine Änderung von Arbeitsort und Arbeitsinhalt eine spürbare Änderung des Arbeitsregimes und kann sich daher als Versetzung darstellen. Das gilt zumindest dann, wenn die Führungskräfte Disziplinaraufgaben gegenüber den ihnen nachgeordneten Arbeitnehmern besitzen und deren Leistungen zu beurteilen haben, was wiederum für die Höhe der den Arbeitnehmern zustehenden Boni relevant ist.

 

Normenkette

BetrVG §§ 99-101

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.12.2012; Aktenzeichen 20 BV 392/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 20. Dezember 2012 - 20 BV 392/12 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen zum Teil abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zu der Versetzung der Arbeitnehmer A, B, C und D in die Organisationseinheit AIM/FBM sowie des Arbeitnehmers E in die Organisationseinheit AIM/FB als erteilt gilt.

Auf die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss dahin abgeändert, dass der Beteiligten zu 1) aufgegeben wird, die Versetzungen der Arbeitnehmer F, G, H, I, J, K, B, D, A und C in die Abteilung AIM/FBM sowie die Versetzung des Arbeitnehmers E in die Abteilung AIM/FBB aufzuheben.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über elf Versetzungen.

Die antragstellende Arbeitgeberin ist für die Kontrolle des Flugverkehrs in Deutschland zuständig. Sie betreibt einen der Flugberatung dienenden Betrieb in L, der dem Geschäftsbereich "Aeronautical Information Management (AIM)" zugeordnet ist und dessen regelmäßig mehr als zwanzig Arbeitnehmer umfassende Belegschaft von dem zu 2) beteiligten Betriebsrat repräsentiert wird. Bis November 2010 war der Betrieb in die Bereiche "Betrieb AIM/FBS", "Stab AIM/FB" und "Betriebsbüro AIM/FB" unterteilt. Der operative Bereich war in vier Teams untergliedert, die von sogenannten Supervisoren geleitet wurden. Diese haben ebenso wie die Führungskräfte in den administrativen Bereichen gegenüber den ihnen nachgeordneten Mitarbeitern Disziplinarbefugnisse und sind für die Leistungsbeurteilung zuständig. Für letzteres gilt das sogenannte "Führungs- und Fördersystem" (FFS), das unter anderem ein jährliches Mitarbeitergespräch vorsieht. Für dieses sind in Ziff. 3 FFS unter anderem folgende Regelungen vorgesehen:

"3. Baustein Mitarbeitergespräch

3.1 Funktion des Mitarbeitergesprächs

Das Kernstück des Führungs- und Fördersystems, das für alle Mitarbeiter in der DFS angewendet wird, ist der Baustein "Mitarbeitergespräch".

...

3.2 Durchführung des Mitarbeitergesprächs

Das Gespräch ist einmal im Jahr zu führen. Das Mitarbeitergespräch sollte darüber hinaus bei besonderen Anlässen ... und auf Wunsch von Mitarbeiter oder Führungskraft durchgeführt werden. Bei einem Stellenwechsel sollte das Führen eines Mitarbeitergesprächs selbstverständlich sein, wenn das letzte Gespräch bereits längere Zeit zurück liegt und sich gegenüber diesem Gespräch neue Aspekte ergeben haben.

Das Mitarbeitergespräch wird grundsätzlich von der disziplinarischen Führungskraft mit dem Mitarbeiter geführt.

...

3.3.2 Leistungsbeurteilung: Ziffer 2

Unter Ziffer 2 soll der Mitarbeiter von der Führungskraft eine Leistungsbeurteilung erhalten."

Wegen des vollständigen Inhalts des FFS wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 01. Oktober 2013 (Bl. 233 - 242 d. A.) Bezug genommen. Die erkennende Kammer hat mit Beschluss vom 10. April 2012 im Vorverfahren Hessisches Landesarbeitsgericht - 4 TaBV 172/11 - festgestellt, dass die Beteiligten jährlich eine Betriebsvereinbarung über Bonuszahlung abschließen. In § 3 (5) der Betriebsvereinbarung Bonuszahlung zum 19. Januar 2011 (nachfolgend BV) war unter Anderem folgende Regelung vorgesehen:

"Der individuelle Leistungsbonus wird von der verantwortlichen Führungskraft auf Grundlage des FFS-Gesprächs mitarbeiterbezogen festgelegt."

§ 4 des für die Arbeitgeberin geltenden Eingruppierungstarifvertrages in der Fassung vom 31. August 2012 (ETV) enthält unter Anderem folgende Regelungen:

"(1) Jede zu besetzende Stelle ist von der DFS grundsätzlich auszuschreiben und einer Vergütungsgruppe in einem Band zuordnen. Die Ausschreibung soll die für die ausgeschriebene Stelle vorgesehenen Anforderungen (Anforderungsprofil) hinsichtlich Qualifikation, Kenntnisse und Fähigkeiten enthalten. Vorbehaltlich der Kompetenzvorhaltepflicht und der Auswahlregeln können Stellen sowohl im A-Band wie in den Bänden B bis G ausgeschrieben werden."

Im November 2010 führte die Arbeitgeberin einen neu geschaffenen Arbeitsbereich ein, den sogenannten "Management Support" (AIM/FBM). Dieser Bereich wird von nichtoperativen Führungskräften geleitet, die luftverkehrsrechtlich nicht befugt sind, den operativen Mitarbeitern fachliche Anweisungen zu erteilen. Die Arbeitgeberin ordnete diesem Bereich...

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