Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Verhandlung. Vorgreiflichkeit, Beschleunigungsgrundsatz

 

Leitsatz (amtlich)

1.Die Verhandlung in einem Rechtsstreit über eine Klage wegen Zahlungsansprüchen, die von derUnwirksamkeit einer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses abhängen, die Gegenstand eines noch nicht rechtswirksam beendeten Rechtsstreit ist, ist weder regelmäßig wegen Vorgreiflichkeit auszusetzen noch nicht auszusetzen, § 148 ZPO.

2.Die Entscheidung über die Aussetzung hat nach pflichtgemäßem Ermessen nach den Umständen des Einzelfalles zu erfolgen. Diese sind in der Entscheidung offenzulegen.

3.Zu den Umständen des Einzelfalles gehören jedenfalls

  • der Stand der beiden Verfahren, vor allem auch der des vorgreiflichen Rechtsstreits und dessen voraussichtliche Dauer und damit die voraussichtliche Dauer der Aussetzung;
  • die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klagepartei in jenem Rechtsstreit, auch, ob bereits ein Urteil zu ihren Gunsten ergangen ist und wie die Aussichten eines Rechtsmittels zu beurteilen sind;
  • die wirtschaftliche Situation beider Parteien;
  • die Notwendigkeit für die Klagepartei, ihre Ansprüche mithilfe eines gerichtlichen Titels durchsetzen zu müssen;
  • das Verhalten der Klagepartei.
 

Normenkette

ZPO § 148; ArbGG § 9 Abs. 1, §§ 61a, 62 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.01.2004; Aktenzeichen 8 Ca 12423/03)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Frankfurt/M. vom 30. Januar 2004 – 8 Ca 12423/03 – aufgehoben.

Die erforderliche Anordnung wird dem Vorsitzenden des Arbeitsgerichts Frankfurt/M. übertragen.

 

Tatbestand

I. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der bei ihr zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt 3.724,45 EUR brutto als Kindertagesstättenleiterin beschäftigten Klägerin mit Schreiben vom 5. Juli 2002 außerordentlich fristlos, vorsorglich mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten. Auf die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage stellte das Arbeitsgericht Frankfurt/M. mit einem am 21. Oktober 2003 verkündeten Urteil – 8 Ca 6540/02 – fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung nicht beendet worden ist Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein, die bei der erkennenden Kammer unter dem Aktenzeichen 1 Sa 19/04 anhängig ist Termin zur mündlichen Verhandlung wird voraussichtlich auf den 1. Juni 2004 anberaumt werden. In dem vorliegenden Rechtsstreit verfolgt die Klägerin mit der am 15. Dezember 2003 bei dem Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 29. Dezember 2003 zugestellten Klage Ansprüche auf Zahlung von Vergütung bei Annahmeverzug abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes nebst Zinsen wegen eines Restbetrages für den Monat Juli 2002 und für die Zeit vom 1. August 2002 bis zum 31. Dezember 2003 (Bl. 1–3 d. A.).

Die Klägerin hat den Antrag angekündigt,

die Beklage zu verurteilen, an sie 76.013,82 EUR brutto zzgl. 5 % Zinsen aus 3.346,61 EUR seit dem 1. September, 1. Oktober und 1. November 2002, aus 7.649,18 EUR seit dem 1. Dezember 2002, aus jeweils 3.824,59 EUR seit dem 1. Januar, 1. Februar 1. März 1 Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober und 1. November 2003 aus 7.649,18 EUR seit dem 1. Dezember 2003 und aus 3.724,45 EUR seit dem 1. Januar 2004 abzüglich in der Zeit vom 15. Juli 2002 bis 31. Dezember 2002 bezogen Arbeitslosengeldes in Höhe von 6.808,50 EUR und ab 1. Januar 2003 bezogenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 277,50 EUR wöchentlich zu zahlen.

In der Güteverhandlung am 31. Januar 2004 hat der Vorsitzende des Arbeitsgerichts, nachdem die Beklagte sich bereits zuvor auf schriftliche Antrage des Gerichts mit der Aussetzung einverstanden erklärt hatte, die Klägerin hingegen nicht, mit den Parteien die Aussetzung der Verhandlung erörtert und mit am Ende der Sitzung verkündetem Beschlusse 8 Ca 12423/03 – „den Rechtsstreit” ausgesetzt bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits mit dem Aktenzeichen 8 Ca 6540/02 (Bl. 21–23 & A.). Gegen den ihr am 10. Februar 2004 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 23. Februar 2004 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht

sofortige Beschwerde

eingelegt und zugleich begründet (Bl. 32–34 d. A.). Die Beklagte verteidigt den angefochtenen Beschluss (Bl. 43–45 d. A.). Der Vorsitzende des Arbeitsgerichts hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 42 d. A.).

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt/M. vom 30. Januar 2004 – 8 Ca 12423/03 – ist gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 252 ZPO, 78 ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gem. §§ 569 Abs. 1 und 2, 572 Abs. 2, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB, 78 ArbGG frist- und formgerecht eingelegt worden.

2. Sie hat auch in der Sache Erfolg, weil sie begründet ist. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben. Die erforderlichen Anordnungen sind dem Vorsitzenden des Arbeitsgerichts zu übertragen, § 572 Abs...

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