Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde im Zusammenhang mit der Bestellung von Einigungsstellen wegen Arbeitnehmerbeschwerden
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine nach § 85 Abs. 2 Satz 1 BetrVG angerufene Einigungsstelle ist offensichtlich unzuständig im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, wenn Gegenstand der Arbeitnehmerbeschwerde ein Rechtsanspruch ist. In einem solchen Fall ist eine Entscheidung der Einigungsstelle nicht erzwingbar (§ 85 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrVG), so dass diese nicht gegen den Willen des Arbeitgebers bestellt werden kann.
2. Bei der Geltendmachung eines fortbestehenden Anspruchs auf eine Tätigkeit im Home Office handelt es sich indes um die Geltendmachung eines Rechtsanspruchs auf mobiles Arbeiten, über den nicht im Einigungsstellenverfahren, sondern im gerichtlichen Verfahren zu entscheiden ist. Dabei geht es auch dann um einen Rechtsanspruch im genannten Sinne, wenn der Arbeitnehmer geltend macht, dass eine Betriebsvereinbarung - hier die GBV Mobiles Arbeiten - ihn in seinen Rechten verletzt, also insbesondere gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in der Konkretisierung des § 75 Abs. 1 BetrVG verstößt.
Normenkette
BetrVG § 100 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 10.04.2024; Aktenzeichen 2 BV 112/24) |
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. April 2024 - 2 BV 112/24 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Bestellung von Einigungsstellen wegen Arbeitnehmerbeschwerden.
Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin ist Teil eines weltweit tätigen Unternehmensverbundes der Expressluftfahrt. Der Antragsteller ist der für ihren Betrieb in Frankfurt am Main gewählte Betriebsrat.
Mit E-Mail vom 5. Februar 2024 (Anl. 10 der Beschwerdebegründung) legte der Arbeitnehmer A Beschwerde bei der Arbeitgeberin ein und führte zur Begründung u.a. aus:
"...Ziel des mobilen Arbeitens ist es, die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit in einer modernen Gesellschaft zu verbessern, indem die Arbeit flexibel gestaltet werden kann. Das hat in den letzten drei Jahren, in denen ich zu 80 Prozent von zu Hause aus gearbeitet habe, sehr gut funktioniert. Nun fühle ich mich als Vater von vier Kindern durch die neue GBV zum mobilen Arbeiten ungerechtfertigt benachteiligt und in der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit stark eingeschränkt und diskriminiert. Dabei lassen meine Tätigkeiten eine flexible Gestaltung im Sinne der GBV zum Mobilen Arbeiten zu! Diese Einschätzung teilt auch das lokale Management und der örtliche Betriebsrat!
Da ich aufgrund meines falschen Jobprofils vom Homeoffice ausgeschlossen bin und dadurch überdurchschnittlich benachteiligt und diskriminiert werde, insbesondere im Hinblick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht, haben mein direkter Vorgesetzter B und ich eine individuelle Vereinbarung zum mobilen Arbeiten getroffen, die sich an der GBV mobiles Arbeiten orientiert. Bitte beachten Sie die beigefügte Kommunikation..."
Das Betriebsratsmitglied C legte mit E-Mail vom 1. März 2024 (Anl. 9 der Beschwerdebegründung) beim Betriebsrat Beschwerde nach § 85 BetrVG ein. Darin heißt es auszugsweise:
"Ich fühle mich durch die seit dem 01.03.2024 geltende GBV Mobiles Arbeiten (Hybrid Working) benachteiligt und ungerecht behandelt. Durch die in der Anlage 1 der genannten GBV aufgelisteten Jobprofile ist es mir nicht mehr möglich, weiterhin 1-2 Tage pro Woche im Homeoffice zu arbeiten. Die Jobprofile beziehen sich dabei auf meinen Jobtitel, welcher aus meiner Sicht zur noch nicht rechtskräftig erfolgten Eingruppierung gehört. Allein dadurch ist Anlage 1 rechtlich fragwürdig. Die vom Arbeitgeber genannten Begründungen, welche einen Arbeitseinsatz am Standort rechtfertigen sollen, sind alle samt haltlos. Seit Beginn der Corona Pandemie wurde in meiner Abteilung abwechselnd im Homeoffice gearbeitet, und zu keiner Zeit gab es ein Informations- oder Produktivitätsdefizit. Auch war die Präsenz am Standort regelmäßig einmal pro Woche und zu besonderen Anlässen jederzeit gegeben. Durch den Wegfall von 2 Tagen Homeoffice entsteht für mich eine zusätzliche Fahrtzeit von ca. 20 Stunden pro Monat (ca. 2,5 Stunden pro Tag für Hin- und Rückfahrt), was auch gleichzeitig einen Verlust von 20 Stunden Freizeit pro Monat bedeutet. Des Weiteren fallen dadurch zusätzliche Fahrtkosten von über 500km pro Monat an."
Die in den beiden Beschwerden erwähnte Gesamtbetriebsvereinbarung Mobiles Arbeiten (Hybrid Working - nachfolgend GBV Mobiles Arbeiten) findet bei der Arbeitgeberin seit dem 1. März 2024 Anwendung. Nach dieser ist für die Jobpositionen der Arbeitnehmer C und A eine Homeoffice Tätigkeit nicht mehr zulässig. Die Arbeitgeberin leitete, da der Betriebsrat seine Zustimmung zur Versetzung dieser Arbeitnehmer verweigert hatte, Verfahren nach §§ 99, 100 BetrVG beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main ein.
Mit Schreiben vom 5. März 2024 teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, dass...