Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckbarkeit eines Vergleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Gegenstand der Zwangsvollstreckung können nur im Titel verbürgte Ansprüche sein (hier verneint für Lohnsteuerbescheinigungen). Für die Vollstreckung von Geldforderungen sind nach § 764 ZPO die Amtsgerichte zuständig.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Vergleich hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, wenn darin zwar festgelegt ist, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt "das Arbeitsverhältnis zu den bislang gültigen Konditionen ordnungsgemäß" abzurechnen ist, da sich dieser Regelung nicht entnehmen lässt, ab welchem Anfangszeitpunkt Abrechnungen zu erteilen sind. Im Übrigen fehlt es an einem vollstreckungsfähigen Inhalt hinsichtlich der abzurechnenden Gehälter und Urlaubsabgeltung, wenn nicht im Ansatz erkennbar ist, welcher Betrag geschuldet ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 764, 888

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 22.06.2018; Aktenzeichen 11 Ca 437/17)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 22. Juni 2018 - 11 Ca 437/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Zwangsvollstreckung von Urlaubsabgeltungsansprüchen, Vergütungsansprüchen für Januar, Februar und März 2016 sowie Mai und Juni 2017, Lohnabrechnungen und Lohnsteuerbescheinigungen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Beschluss vom 31. August 2017 in dem Rechtsstreit - 11 Ca 437/17 - das Zustandekommen eines gerichtlichen Vergleichs festgestellt. Der Vergleich, wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf Bl. 42 d. A. verwiesen wird, enthält auszugsweise die folgenden Regelungen:

"…

3. Bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gemäß Ziffer 1 dieses Vergleichs rechnet die Beklagte das Arbeitsverhältnis zu den bislang gültigen Konditionen ordnungsgemäß ab und zahlt insbesondere das restliche Arbeitsentgelt an die Klägerin, soweit Ansprüche darauf nicht auf Dritte übergegangen sind.

4. Die Parteien sind sich darin einig, dass der Urlaubsanspruch für 2017 aufgrund der Beendigung in der zweiten Jahreshälfte in vollem Umfang entstanden ist und, soweit noch nicht gewährt, abzugelten ist.

…"

Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2017 Bl. 45 f. d. A. hat der Klägervertreter bei dem Arbeitsgericht u.a. folgenden Antrag "gem. § 888 ZPO" gestellt:

  • "1.

    der Schuldnerin (Beklagten) Zwangsgeld, und für den Fall einer nicht möglichen Beitreibung desselben Zwangshaft aufzuerlegen, verbunden mit der Aufforderung, die ihr durch Vergleichsprotokoll vom 31.08.2017 auferlegte Verpflichtung für die Gläubigerin (Klägerin) vorzunehmen,

    …"

Dem Schriftsatz vom 11. Dezember 2017 war die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs beigefügt.

Mit Schriftsatz vom 5. April 2018 teilte der Klägervertreter mit, dass Ziff. 3. und 4. des Vergleichs einen vollstreckungsfähigen Inhalt hätten. Gemäß der Vergleichsvereinbarung habe die Beklagte für die Monate Mai und Juni 2017 ordnungsgemäße Abrechnungen zu erteilen, das sich hieraus für die Klägerin ergebende Gehalt zur Auszahlung zu bringen, die Gehälter für Januar, Februar und März 2016 vollständig abzurechnen und zu bezahlen, die Steuerbescheinigung für 2016 und 2017 samt ordnungsgemäßer Lohnabrechnungen zu erteilen und den Urlaub für 2017 abzugelten.

Mit Beschluss vom 22. Juni 2018 (Bl. 61 d. A.) hat das Arbeitsgericht den Zwangsgeldantrag zurückgewiesen und dies damit begründet, dass der Antrag hinsichtlich der begehrten Abrechnung unzulässig sei, da der Titel nicht hinreichend bestimmt sei, die Herausgabe von Arbeitspapieren überhaupt nicht Gegenstand der vergleichsweisen Einigung sei und Zahlungsansprüche - abgesehen von der Abfindung - keinen vollstreckbaren Inhalt hätten und nicht durch ein Zwangsmittel durchgesetzt werden könnten.

Gegen diesen ihm am 4. Juli 2018 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit am 23. Juli 2018 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass Ziff. 3 und 4 des Vergleichs einen vollstreckungsfähigen Inhalt hätten.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 23. Juli 2018 nicht abgeholfen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 793, 567 Abs. 1 ZPO iVm. § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG statthafte sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß § 569 Abs. 1 und 2 ZPO, § 78 Satz 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt worden und daher zulässig. Sie bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil es im Hinblick auf Lohnsteuerbescheinigungen bereits an einem Titel fehlt, die Regelungen zu den Zahlungsansprüchen und den Lohnabrechnungen in Ziff. 3 und 4 des Vergleichs nicht vollstreckbar sind, die Zahlungsansprüche aber auch bei unterstellter Vollstreckbarkeit nicht von den Gerichten für Arbeitssachen nach § 888 ZPO zu vollstrecken wären. Im Einzelnen:

1. Es bestehen schon erhebliche Bedenken, ob überhaupt die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Z...

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