Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde in den Fällen des § 769 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Die erkennende Kammer des Beschwerdegerichts folgt der neueren Rechtsprechung der Kammer 16 des Beschwerdegerichts (Beschluß vom 04.09.1990 – Az.: 16 Ta 258/90 –), wonach die Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde in den Fällen des § 769 ZPO nicht davon abhängig ist, daß das Arbeitsgericht u.a. die Grenzen seines Ermessens verkannt hat oder sonst eine „greifbare Gesetzwidrigkeit” vorliegt. Durch diese Kriterien wird vielmehr nur die inhaltliche Überprüfbarkeit von Beschlüssen nach § 769 ZPO beschränkt.
Nach Ansicht der erkennenden Kammer des Beschwerdegerichts ist auch die Vorschrift des § 62 Abs. 1 ArbGG und damit das Erfordernis eines „nicht zu ersetzenden Nachteils” des Schuldners – entgegen einer verbreiteten Auffassung (vgl. etwa LAG Hamm in BB 1980, S. 265) – auf Anträge nach § 769 ZPO nicht anzuwenden (ebenso Germelmann-Matthes, ArbGG 1990, § 62 Rz 38).
Normenkette
ZPO §§ 793, 769
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 06.03.1991; Aktenzeichen 4 Ca 65/91) |
Tenor
wird die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Offenbach/Main vom 06. März 1991 – Az.: 4 Ca 65/91
zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 205.877,04 DM festgesetzt.
Tatbestand
I
Der vorliegenden, am 18.02.1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen Vollstreckungsabwehrklage der Klägerin i.S. des § 767 ZPO liegt ein auf Prokuraerteilung und Auskunft gerichteter Rechtsstreit der Parteien – Az.: 4 Ca 367/90 des Arbeitsgerichts Offenbach/Main – zugrunde, welcher im Gütetermin vom 03.01.1991 durch einen – später rechtsbeständig gewordenen – Prozeßvergleich beigelegt wurde; auf den näheren Inhalt dieses Prozeßvergleiches (Bl. 11 d.A.) wird Bezug genommen.
Als der Beklagte (vormaliger Kläger) die vollstreckbare Ausfertigung des Prozeßvergleichs wenige Tage nach dessen Rechtsbeständigkeit i.S. der §§ 794 Abs. 1 Ziff. 1, 795 und 750 Abs. 1 ZPO zustellen ließ, nahm die Klägerin (vormalige Beklagte) Ende Jan. 1991 eine – alle restlichen Ansprüche des Beklagten für Dez. 1990 einschließlich der vereinbarten Abfindung in Höhe von 400.000,– DM umfassende – Endabrechnung vor, welche sie auf Grund entstandener Fehler Mittte Febr. 1991 durch eine „Korrigierte Abrechnung Dezember” (Bl. 18 d.A.) ersetzte; letztere endete mit einem abschließenden Nettoverdienst des Beklagten in Höhe von 194.122,96 DM und einem Auszahlungsbetrag von 186.404,95 DM. Gleichzeitig trug die Klägerin dafür Sorge, daß der gemäß ihrer zweiten Abrechnung auszuzahlende Betrag dem Beklagten unmittelbar gutgebracht wurde, und zwar bereits am 01.02.1991 mittels eines – unstreitig eingelösten – Schecks über 169.899,91 DM (Bl. 15 d.A.) sowie am 14.02.1991 mittels eines weiteren Schecks über 9.719,23 DM (unter Abzug einer irrtümlichen Gehaltsüberzahlung von 6.785,81 DM, Bl. 19, 16/17 d.A.).
Die in der „Korrigierten Abrechnung Dezember” ermittelte Einkommens- und Kirchensteuer für jenen Monat in Höhe von 198.379,34 DM bzw. 17.854,15 DM wurde hingegen von der Klägerin dem zuständigen Erhebungsfinanzamt O. nachgemeldet und jeweils auch mittels Scheck unmittelbar gutgebracht.
Demgegenüber vertrat der Beklagte in der damals gewechselten Vorkorrespondenz (Bl. 12–14, 22–24 d.A.) die Auffassung, daß ihm der im Prozeßvergleich vereinbarte Abfindungsbetrag von 400.000,– DM in voller Höhe zufließen müsse, da er für dessen Versteuerung selbst Sorge tragen werde. Dementsprechend erwirkte der Beklagte am 07.02.1991 beim Amtsgericht O. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, durch welchen das Konto Nr. … 4 … der Klägerin bei der D. B. H. im Umfange von 232.441,46 DM gepfändet wurde (Bl. 30–34 d.A.).
Hiergegen richtet sich die vorliegende Vollstreckungsabwehrklage der Klägerin, mit welcher sie beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Vergleich des Arbeitsgerichts Offenbach/Main vom 03.01.1991 – Az.: 4 Ca 367/90 – für unzulässig zu erklären. Zur Begründung macht die Klägerin – unter Beifügung zweier eidesstattlicher Versicherungen (Bl. 25/26 d.A.) – insbesondere geltend, sie sei als Arbeitgeberin nach den einschlägigen Vorschriften der §§ 39 a, 41 a EStG verpflichtet gewesen, die aus dem Gesamtbetrag angefallene Lohn- bzw. Einkommenssteuer an das zuständige Finanzamt O. – S. abzuführen; insofern habe sie den titulierten Anspruch des Beklagten in vollem Umfange erfüllt.
Der Beklagte tritt dieser Vollstreckungsabwehrklage mit dem Antrag auf deren Abweisung entgegen und hebt insbesondere hervor, nach dem Prozeßvergleich sei der Betrag von 400.000,– DM in voller Höhe und nicht nur teilweise an ihn auszuzahlen, da er die Versteuerung zu gegebener Zeit selbst vornehmen wolle; die gleichzeitige Auszahlung des Restbetrages an das zuständige Finanzamt werde zudem bestritten. Im übrigen habe die Klägerin den Vergleichsbetrag zu Unrecht als Arbeitsentgelt behandelt und noch dem Jahre 1990 zugerechnet, obwohl beides...