Entscheidungsstichwort (Thema)

Sofortige Beschwerde gegen einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 769 Abs. 1 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für Entscheidungen gemäß § 769 Abs. 1 ZPO (auch im Falle dessen entsprechender Anwendung) gilt § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO analog.

Die sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO ist damit nur statthaft, wenn die Voraussetzungen der dem Prozeßgericht obliegenden Ermessensentscheidung verkannt sind oder eine sonst greifbar gesetzwidrige Entscheidung ergangen ist.

2. Eine greifbar gesetzwidrige Entscheidung ist nicht zu bejahen, wenn das Prozeßgericht sich hinsichtlich einer Frage, in der sich noch keine auch nur einigermaßen einheitliche Überzeugung herausgebildet hat, einer der vertretenen Meinungen anschließt (etwa zur Auslegung des § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG oder zur Frage, ob § 769 ZPO bei einer die Rechtskraft durchbrechenden Deliktsklage gemäß § 826 BGB entsprechend anwendbar ist).

 

Normenkette

ZPO § 769 Abs. 1, § 707 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Beschluss vom 20.12.1991; Aktenzeichen 2 Ca 3940/91)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. Dezember 1991 – 2 Ca 3940/91 – wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

 

Tatbestand

I.

Der Beklagte hatte im Verfahren 2 Ca 1876/89 vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden am 31.08.1989 ein Versäumnisurteil gegen den Kläger erwirkt; dann wurde der Kläger zur Auskunft und für den Fall nicht fristgerechter Auskunftserteilung zu einer Entschädigungszahlung von 14.400,– DM verurteilt Einspruch gegen dieses Versäumnisurteil ist nicht eingelegt.

Im vorliegenden Verfahren klagt der Kläger gestutzt auf § 826 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus dem genannten Versäumnisurteil und auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung dieses Versäumnisurteils. Für die Begründung im einzelnen wird auf die Klageschrift vom 26.11.1991 (Bl. 1–6 d A.) mit Anlagen (Bl. 7–15 d.A) Bezug genommen.

Der Kläger hat außerdem vor dem Arbeitsgericht beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31.08.1989 – 2 Ca 1876/89 – vorläufig einzustellen.

Auf den gerichtlichen Hinweis vom 11.12.1991, daß es sich – vorliegend „offensichtlich um eine Klage gemäß § 767 ZPO”handele, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18.12.1991 erklärt, er stütze seine Klage nach wie vor auf § 826 BGB, hilfsweise solle die Klage „in eine gem. § 769 ZPO” umgedeutet werden.

Mit Beschluß vom 20.12.1991 hat das Arbeitsgericht die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt und sich dabei auf § 769 ZPO bezogen. Für die Begründung des Beschlusses wird auf dessen Gründe (Bl. 28 d.A.). Bezug genommen. Die Rechtsmittelbelehrung lautet lediglich: sofortige Beschwerde.

Der Beschluß ist dem Beklagten am 07. Januar 1992 zugestellt worden. Dieser hat dagegen mit Schriftsatz vom 20. Januar 1992 – eingegangen beim Landesarbeitsgericht am 21. Januar 1992 – „sofortige” Beschwerde eingelegt, wobei für die Begründung der sofortigen Beschwerde auf diesen Schriftsatz (Bl. 31/32 d.A.) Bezug genommen wird.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das eingelegte Rechtsmittel ist unstatthaft; die sofortige Beschwerde des Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen. Mögliche Bedenken hinsichtlich der Vollmacht können damit beruhen (vgl. Kammerbeschluß vom 21. Okt. 1991 – 15 Ta 301/91 –).

Mit der heute wohl herrschenden Auffassung ist die Kammer der Auffassung, daß die Entscheidung über einen Antrag gemäß § 769 Abs. 1 ZPO nicht uneingeschränkt der Beschwerde gemäß § 793 ZPO unterliegt. Die Beschwerde ist vielmehr auf die Fälle beschränkt; in denen die Voraussetzungen der dem Gericht obliegenden Ermessensentscheidung verkannt sind oder eine sonst greifbar gesetzwidrige Entscheidung ergangen ist (Thomas/Putzo, ZPO, 17; Aufl., § 769 Anm. 7; Zoll er-Herget, ZPO, 17. Aufl., § 769 Rz. 13; LAG Hamm. Beschluß vom 26. Mai 1988 – 8 Ta 171/38 – LAGE Nr. 1 zu § 769 ZPO; LAG Berlin, Beschluß vom 21. Juni 1989 – 9 Ta 7/89 – LAGE Nr. 2 zu § 769 ZPO; LAG Köln. Beschluß vom 14. Februar 1990 – 10 Ta 7/90 – LAGE Nr. 3 zu § 769 ZPO). Trotz fehlender gesetzlicher Regelung in § 759 ZPO ist es geboten. § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die Fälle des § 769 ZPO entsprechend anzuwenden.

Dafür spricht insbesondere, daß es nicht zu einer Präjudizierung der erstinstanzlichen Entscheidung und nicht zu einer mit einer vorläufigen Maßnahme unvereinbaren Bindungswirkung kommen soll (vgl. LAG Berlin vom 21. Juni 1989), a.a.O., und LAG Hamm vom 26. Mai 1988 _a.a.O.; a.A. LAG Frankfurt am Main in den Beschlüssen vom 04.09.1990 – 16 Ta 258/90 – und vom 07.06.1991 – 2 Ta 109/91; gleichfalls a.A. die erkennende Kammer im Beschluß vom 21.10.1991 – 15 Ta 301/91 –, die darin vertretene Auffassung wird indes hiermit aufgegeben).

An den umschriebenen Voraussetzungen fehlt es hier, es fehlt auch bereits am entsprechenden Vortrag des Beklagten.

Indem das Arbeitsgericht die Erfolgsabsichten der Klage entscheidend berücksichtigt, hält es sich zunächst in dem Rahmen, in dem die ihm obliegende...

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