Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitskampf-Zutritt von Betriebsratsmitgliedern zum Betrieb
Leitsatz (amtlich)
1). Ein Arbeitgeber ist auch im Arbeitskampf um einen Firmentarifvertrag nicht berechtigt, die Zugangs-Code-Karten sämtlicher Betriebsratsmitglieder (zur Überwindung der Zugangssicherungen) zu sperren, wenn er – berechtigt oder nicht – annimmt, ein Betriebsratsmitglied habe „seine” Karte mißbräuchlich verwandt.
2). Ein Arbeitgeber ist in einer solchen Arbeitskampfsituation grundsätzlich auch nicht berechtigt, BR-Mitglieder während der Ausübung von Betriebsratstätigkeit fortwährend oder auch nur stichprobenhaft durch ein persönlich anwesendes oder hinzutretendes Mitglied der Personal-Abteilung kontrollieren zu lassen.
Normenkette
BetrVG §§ 2, 74 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 19.01.1990; Aktenzeichen 6 BVGa 1/90) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und des Betriebsrats und Antragsteller wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 19.01.1990 – 6 BV Ca 1/90 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsgegnerin wird einstweilig bis zur Klärung ihrer streitbefangenen Verbotskompetenzen gegenüber dem Betriebsrat im Arbeitskampf in einem vom Betriebsrat einzuleitenden (Haupt-)Beschlußverfahren durch eine erstgerichtliche Entscheidung untersagt:
1.) dem Betriebsrat zu verbieten, während eines Arbeitskampfes im Betrieb der Antragstellerin ohne Zuziehung eines Mitgliedes der Personalabteilung Arbeitnehmer zu befragen;
2.) Die Betriebsratsmitglieder durch Sperren von Zugangs-Code-Karten für das elektronische gesteuerte Zugangssicherungssystem am Zutritt zum Betrieb während eines laufenden Arbeitskampfes zu hindern.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verfügung wird der Antragstellerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.000 DM (i.W. zwanzigtausend Deutsche Mark) angedroht.
Im übrigen werden die Beschwerden der Beteiligten und die Anträge des Antragstellers zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten haben im Eilverfahren erstinstanzlich darüber gestritten, ob der Antragsgegnerin (AGg.) durch eine einstweilige gerichtliche Verfügung folgende Unterlessungsgebote aufzuerlegen sind;
- BR-Mitglieder zu hindern, in Betriebsräumen bestimmte eigene Feststellungen über dort tätige Arbeitnehmer zu treffen;
- BR-Mitglieder dadurch zu (be-)hindern, daß ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Mitglieder der Personal-Abteilung „an die Seite” gestellt werden, so daß vertrauliche Gespräche mit Mitarbeitern nicht mehr möglich sind;
- BR-Mitgliedern den ungehinderten Zutritt zum Betrieb, insbesondere durch Sperren ihrer Zugangskarte für das elektronisch gesteuerte Zugangssicherungssystem, zu verwehren;
und der AGg. für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 500.00,– DM anzudrohen.
Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Antragstellung und des dort festgestellten Sachverhalts wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses (Bl. 43–46 d.A.) verwiesen.
Das Erstgericht hat den Antrag zu 1) zurückgewiesen und ferner der AGg. durch einstweilige Verfügung aufgegeben, es zu unterlassen,
- BR-Mitgliedern bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Mitglieder der Personal-Abteilung an die Seite zu stellen;
- die den BR-Mitgliedern erteilte Zugangskarte für das elektronische Zugangssicherungssystem zu sperren, soweit BR-Mitglieder den Betrieb zum Zwecke der Ausübung ihres Betriebsratsamtes betreten wollen.
Es hat ferner auf den vierten Antrag hin in einem gesonderten Beschluß (Bl. 52 d.A.) ein Ordnungsgeld von bis zu 20.000,– DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Beschluß vom 10.01.1990 angedroht.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die AGg. ihr auf Antragszurückweisung hinauslaufendes Verfahrensziel weiter. Sie meint, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung zur verbotenen Sperrung der Zugangs-Code-Karten übersehen, daß eine Sperrung der Karte – auch soweit Betriebsratsarbeit verrichtet werden solle – nicht vorgenommen sei.
Unrichtig sei auch, dem BR ein unbegrenztes Recht zuzugestehen, im Betrieb umherzugehen und mit Arbeitnehmern zu sprechen. Ein solches Recht habe der BR aber nur, wenn solche Gespräche erforderlich seien. Davon könne dann keine Rede mehr sein, wenn der RR und Antragsteller (ASt.) „am fraglichen Tag” um 17.00 Uhr eine Liste „auf dem Tisch” gehabt habe, in der die neu im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer aufgeführt gewesen seien.
Überdies sei im Arbeitskampf wegen der für die BR-Mitglieder als Streitbeteiligte und Tarifkommissionsmitglieder und wegen der hieraus für sie folgenden Interessenkollision eine „vertrauliche” Arbeitnehmerbefragung ohne Beisein von Mitgliedern der Personal-Abteilung nicht erforderlich.
Mit der weiteren Beschwerde des ASt. verfolgt dieser seinen erstinstanzlich gestellten, von Arbeitsgericht zurückgewiesenen Antrag zu 1) weiter und den erstinstanzlichen Antrag zu 3) mit der Erweiterung, der AGg. aufzugehen, es zu unterlassen, den BR-Mitgliedern den ungehinderten jederzeitigen Zutri...