Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einstellung. Zwangsvollstreckung aus einem Unterlassungstitel. Zeitablauf. Fristbeginn zur gerichtlichen Geltendmachung der vorläufigen Durchführung. Zurechnung von Vertreterhandeln
Leitsatz (amtlich)
1. Das Recht des Betriebsrats zur Zwangsvollstreckung aus einem Unterlassungstitel gemäß § 23 Abs 3 S 1 BetrVG entfällt nicht schon dann, wenn der Arbeitgeber den Titel einige Jahre lang befolgt hat (entgegen LArbG Schleswig-Holstein 27.12.2001 – 1 TaBV 15 c/01 – NZA-RR 2002, 357).
2. Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung der vorläufigen Durchführung einer personellen Maßnahme von § 100 Abs 2 S 3 BetrVG beginnt auch dann erst mit dem Beginn der Durchführung der Maßnahme zu laufen, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat bereits zu einem früheren Zeitpunkt über die bevorstehende vorläufige Durchführung unterrichtet hatte.
3. Bei der Ordnungsgeldfestsetzung gemäß § 23 Abs 3 S 2 BetrVG wegen eines Verstoßes gegen einen Unterlassungstitel nach § 23 Abs 3 S 1 BetrVG ist dem Arbeitgeber ein Verschulden von Personalsachbearbeitern in der Regel nur zuzurechnen, wenn dieses auf einem dem Arbeitgeber zurechenbaren Organisationsverschulden beruht.
Normenkette
BetrVG § 23 Abs. 3 Sätze 1-2, § 100 Abs. 2 S. 3, Abs. 1 S. 1, § 99 Abs. 1 S. 1; BGB § 278 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Beschluss vom 05.02.2009; Aktenzeichen 3 BV 30/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 05. Februar 2009 – 3 BV 30/99 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Zwangsvollstreckung aus einem Unterlassungstitel.
Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin betreibt eine Spedition und beschäftigt regelmäßig mehr als zwanzig Arbeitnehmer, die vom antragstellenden Betriebsrat repräsentiert werden. Auf Antrag des Betriebsrats gab das Arbeitsgericht der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin mit rechtskräftigem Beschluss vom 11. April 2000 – 3 BV 30/99 – auf, „es zu unterlassen, Einstellungen von Leiharbeitnehmern ohne vorherige – erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzte – Zustimmung des Betriebsrats vorzunehmen, es sei denn, der Arbeitgeber hat die notwendigen Schritte für eine vorläufige personelle Maßnahme gemäß § 100, § 100 Abs. 2 BetrVG eingeleitet”. Gleichzeitig drohte das Arbeitsgericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu DM 20.000 an. Der Titel wurde auf die Arbeitgeberin umgeschrieben. Eine vollstreckbare Ausfertigung des umgeschriebenen Titels wurde der Arbeitgeberin am 08. Mai 2006 zugestellt.
Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht wegen Verstößen gegen den Titel in der Zeit zwischen Ende 2001 und Anfang 2002 mit Beschluss vom 21. Juni 2002 gegen die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld in Höhe von DM 3.800 fest. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies die erkennende Kammer mit Beschluss vom 10. April 2003 – 4 Ta 474/02 – zurück. Im Jahr 2005 beantragte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht auf der Grundlage eines in dem Verfahren – 3 BV 29/99 – ergangenen Titels die Festsetzung von Ordnungsgeldern wegen der Verletzung von Beteiligungsrechten in Zusammenhang mit der Einstellung von Leiharbeitnehmern. Diesen Antrag nahm er nach einem Hinweis des Arbeitsgerichts auf das Verfahren – 3 BV 30/99 – zurück. Aufgrund eines Vorfalls aus dem November 2006 beantragte der Betriebsrat erneut die Festsetzung eines Ordnungsgeldes. Die gegen die Zurückweisung dieses Antrags gerichtete Beschwerde wies die erkennende Kammer mit Beschluss vom 29. Juni 2007 (– 4/5 Ta 170/07 – AuR 2008/77 LS) zurück, da es sich bei dem Vorfall nicht um eine mitbestimmungspflichtige Einstellung gehandelt habe.
Auf Antrag des Betriebsrats stellte die erkennende Kammer mit rechtskräftigem Beschluss vom 16. Januar 2007 (– 4 TaBV 203/06 – EzAÜG § 14 AÜG Betriebsverfassung Nr. 66, zu II 2 b) fest, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, den Betriebsrat beim Austausch von Leiharbeitnehmern durch den Verleiher während einer Verleihperiode bezüglich der neu eingegliederten Arbeitnehmer gemäß §§ 99, 100 BetrVG zu beteiligen. Die Arbeitgeberin unterrichtete die zuständigen Personalsachbearbeiterinnen A und B im April 2007 über die Entscheidung, übergab ihnen eine Kopie des Beschlusses und wies sie an, künftig den Betriebsrat beim Austausch von Leiharbeitnehmern zu unterrichten. In der Folgezeit erfüllten beide diese Weisung unbeanstandet.
Die Arbeitgeberin unterrichtete den Betriebsrat mit Schreiben vom 21. Dezember 2007 über ihre Absicht, vom 01. Januar bis zum 31. März 2008 18 Leiharbeitnehmer einzustellen und diese Maßnahme vorläufig durchzuführen. Der Betriebsrat widersprach den Einstellungen mit einem am 28. Dezember 2007 zugegangenen Schreiben, in dem er gleichzeitig die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung der Maßnahme bestritt. Noch am selben Tag übersandte die Arbeitgeberin das Widerspruchsschreiben ihrem Verfah...