Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Pflicht des Arbeitgebers zur Übernahme von Schulungskosten der Betriebsratsmitglieder

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat von den Kosten der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds, das Mitglied des Arbeitsschutzausschusses ist, an einer Schulung zum Thema Gefahren- und Überlastungsanzeigen freizustellen.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6, § 40 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 30.10.2019; Aktenzeichen 15 BV 734/18)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 2019 – 15 BV 734/18 - abgeändert:

Der Beteiligten zu 3 wird aufgegeben, den Betriebsrat von den Seminarkosten für die Teilnahme der Antragstellerin zu 2 an dem Seminar „Achtung, ich kann nicht mehr! Sinn und Zweck von Gefahren-/ Überlastungsanzeigen“ vom 1. bis 3. August 2018 im Hotel A Mitte in A in Höhe von insgesamt 1.128,00 EUR (in Worten: Eintausendeinhundertachtundzwanzig und 0/100 Euro) freizustellen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Betriebsrat von Schulungskosten freizustellen.

Der Arbeitgeber (Beteiligter zu 3) betreibt ein Kreditinstitut. Aufgrund eines von ihm abgeschlossenen Zuordnungstarifvertrages ist sein Unternehmen in 13 Betriebe untergliedert. Für den Regionalbereich Südwest ist der antragstellende, aus 13 Mitgliedern bestehende, Betriebsrat (Antragsteller zu 1) gebildet, dem die Antragstellerin zu 2 als Mitglied angehört.

Im Betrieb gilt die Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung vom 23. Dezember 2014 (Bl. 7-16 der Akte) in der Fassung der Ergänzungsvereinbarungen vom 6. Oktober 2015 (Bl. 17 der Akte) und 13. Februar 2018 (Bl. 18 ff. der Akte).

Die Antragstellerin zu 2 ist Mitglied des in § 4 der Betriebsvereinbarung Gefährdungsbeurteilung genannten Analyseteams.

In seiner Sitzung vom 16./17. Juli 2018 beschloss der Betriebsrat, die Beteiligte zu 2 zu dem vom Veranstalter B veranstalteten Seminar „Achtung, ich kann nicht mehr! Sinn und Zweck von Gefahren-/ Überlastungsanzeigen“ vom 1. bis 3. August 2018 in A zu entsenden. Wegen der Formalien der Beschlussfassung wird auf Bl. 163-173 der Akte Bezug genommen.

Ausweislich der Seminarausschreibung (Bl. 33, 34 der Akte) waren die Seminarinhalte:

  1. Gefahren-/Überlastungsanzeige - Ziele, Bedeutung und Funktion
  2. Inhalt, Form sowie Aufbewahrung der Gefahren-/Überlastungsanzeige
  3. rechtliche und betriebliche Folgen
  4. aktuelle Rechtsprechung zur Überlastungsanzeige und zu haftungsrechtlichen Aspekten
  5. Handlungsmöglichkeiten und Beteiligungsrechte der gesetzlichen Interessenvertretung
  6. Zusammenhang zwischen Gefahren-/Überlastungsanzeige und Arbeits- und Gesundheitsschutz
  7. Bedeutung der Überlastungsanzeige im Hinblick auf den Arbeits-und Gesundheitsschutz im Betrieb
  8. Rolle von Betriebsvereinbarungen.

Zu der Veranstaltung wurde ein Skript herausgegeben, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 132 ff. der Akte verwiesen wird.

Bereits mit Schreiben vom 20. Juli 2018 (Bl. 99 der Akte) hatte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitgeteilt, dass er die Schulungsteilnahme nicht für erforderlich hält. Der Betriebsrat hielt an seiner Rechtsauffassung fest.

Die Antragstellerin zu 2 nahm an der genannten Schulungsveranstaltung teil, wofür der Veranstalter ihr Seminarkosten i.H.v. 685 € und Kosten für Übernachtung und Verpflegung i.H.v. 443 € in Rechnung stellte (Bl. 103, 104 der Akte).

Mit seinem am 27. Dezember 2018 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat die Freistellung von diesen Schulungskosten geltend gemacht.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I. der Gründe (Bl. 202-203R der Akte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen; wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 203R bis 204R der Akte) verwiesen.

Dieser Beschluss wurde dem Vertreter des Betriebsrats am 4. Dezember 2019 zugestellt, der dagegen am 19. Dezember 2019 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 4. März 2020 am 4. März 2020 begründet hat.

Die Antragsteller rügen, das Arbeitsgericht habe die Erforderlichkeit der Teilnahme der Beteiligten zu 2 an der streitgegenständlichen Schulung verkannt. Anlass für die Schulungsteilnahme sei der Abschluss der Ergänzungsvereinbarung vom 13. Februar 2018 gewesen. Bis dahin habe die Beteiligte zu 2 keine Schulungen zu der Thematik Gefährdungs-/Belastungsanzeige gehabt. Im Jahr 2019 habe es bis August insgesamt 219 Gefährdungs-/Belastungsanzeigen gegeben. Bei einer Gesamtzahl von 750 Beschäftigten im Betrieb sei dies eine relevante Größe. Auch hieraus ergebe sich ein konkreter Anlass für die Durchführung der Schulung. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei mit dem Abschluss der Ergänzungsvereinbarung nicht jeglicher Schulung...

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