Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenfestsetzung. Rücknahme der nur "fristwahrend" eingelegten Berufung. Stillhalteabkommen. Erstattungsanspruch bei nur "fristwahrend" eingelegtem Rechtsmittel

 

Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich kann ein Berufungsbeklagter die Kosten seines Rechtsanwalts auch dann nach Rücknahme der Berufung erstattet verlangen, wenn die Berufung nur "fristwahrend" eingelegt war.

Etwas anderes gilt nur, wenn ein sogenanntes "Stillhalteabkommen" zustande gekommen ist.

Dazu reicht die Äußerung einer "Stillhaltebitte" allein nicht aus.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 104

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 13.09.2012; Aktenzeichen 8 Ca 276/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 13. September 2012 - 8 Ca 276/11 - abgeändert:

Aufgrund des Beschlusses des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. Juli 2012 - 12 Sa 546/12 - sind von dem Kläger für das Berufungsverfahren 933.- € an Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Juli 2012 an die Beklagte zu erstatten.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger zu 83 %, die Beklagte zu 17 % zu tragen. Die Gerichtskosten hat der Kläger in Höhe von 20 € zu tragen.

 

Gründe

I. Nach erstinstanzlichem Unterliegen legte der Kläger beim erkennenden Gericht am 4. Mai 2012 Berufung ein (Az: 12 Sa 546/12). Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2012 beantragte der Klägervertreter die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wegen Arbeitsüberlastung und im Hinblick auf eine ausstehende Beschwerdeentscheidung des erkennenden Gerichts zu 3 Ta 127/12. Diese wurde ihm bis zum 5. Juli 2012 gewährt. Am 4. Juli 2012, eingegangen am selben Tag, beantragte der Kläger eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, der der Beklagtenvertreter zugestimmt habe. Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2012, eingegangen am 6. Juli 2012, meldete sich der Beklagtenvertreter zu den Gerichtsakten mit dem Antrag, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2012, eingegangen am 13. Juli 2012, nahm der Kläger seine Berufung zurück.

Entsprechend wurden ihm durch Beschluss vom 16. Juli 2012 die Kosten der Berufung auferlegt (§ 516 ZPO).

Am 20. Juli 2012 beantragte die Beklagte Kostenfestsetzung nebst Zinsen gegen den Kläger wie folgt:

Gegenstandswert:

31.285,80 €

1,6 Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV RVG

1.097,60 €

Post- und Telekommunikation Nr. 7001 VV RVG

20,00 €

Summe netto

1.117,60 €

Durch Beschluss vom 13. September 2012 erließ die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht den begehrten Kostenfestsetzungsbeschluss nach Antrag. Nach Zustellung dieses Beschlusses am 18. September 2012 legte der Kläger, eingegangen am 20. September 2012, sofortige Beschwerde ein mit Ansicht, er habe mit der Beklagtenseite eine sogenannte "Stillhaltevereinbarung" geschlossen.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde am 14. November 2012 nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Zur Glaubhaftmachung seiner Auffassung hat der Kläger das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 3. Mai 2012 an den Beklagtenvertreter vorgelegt, in dem es heißt:

"Sehr geehrter Herr Kollege,

in vorgenannter Angelegenheit haben wir gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 29.02.2012 fristwahrend Berufung eingelegt.

Bitte bestellen Sie sich vorerst nicht, da die Berufung nur durchgeführt wird, wenn Prozesskostenhilfe bewilligt wird."

Hierzu hat der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 17. Juli 2012 u.a. ausgeführt:

"...

1. Zwischen uns ist es niemals zu einer Vereinbarung gekommen, wonach ich zugesagt hätte mich nicht für meine Mandantin im Berufungsverfahren zu melden und einen Zurückweisungsantrag zu stellen.

2. Ich habe im Hinblick auf ihr entsprechendes Ersuchen zunächst die Vertretungsanzeige und die Antragstellung nach Absprache mit meiner Mandantin zurückgestellt. Ich habe Sie allerdings fernmündlich, nachdem Sie um eine weitere Zustimmung zur Fristverlängerung gebeten haben, darüber in Kenntnis gesetzt, dass meine Mandantin mich nunmehr aufgefordert hat in der Sache aktiv zu werden."

Auch mündlich, so der Beklagtenvertreter weiter, habe es keine Absprache gegeben, mit der Bestellung bis zur Vorlage einer Berufungsbegründung zu warten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß den §§ 104 Abs. 3; 567 Abs. 2 ZPO; 11 Abs. 1 RPflG; 78 ArbGG statthaft, der Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR ist erreicht. Auch im Übrigen ist die Beschwerde zulässig, insbesondere ist sie form und fristgerecht eingelegt.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (§ 572 Abs. 1 ZPO).

Die sofortige Beschwerde ist nur teilweise begründet.

Die Beklagte kann von dem Kläger in der gegebenen Situation g...

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