Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenfestsetzung. Stillhalteabkommen
Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich kann ein Berufungsbeklagter die Kosten seines Rechtsanwalts auch dann nach Rücknahme der Berufung erstattet verlangen, wenn die Berufung nur „fristwahrend” eingelegt war.
Etwas anderes gilt nur, wenn ein sogenanntes „Stillhalteabkommen” zustande gekommen ist.
Dazu reicht die Äußerung einer „Stillhaltebitte” allein nicht aus.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1-2, § 104
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 09.02.2011; Aktenzeichen 8 Ca 7005/09) |
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 06.07.2010; Aktenzeichen 8 Ca 7005/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2011 – 8 Ca 7005/09 – abgeändert. Der Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin vom 1. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Am 20. September 2010 legten die Beklagten nach erstinstanzlichem Prozessverlust beim erkennenden Gericht Berufung ein (14 Sa 1446/10). Am 14. Oktober 2010 baten die Beklagtenvertreter um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 18. November 2010, weil noch Überlegungen zu einer vergleichsweisen Lösung angestellt wurden.
Am 18. November 2010, per Fax um 12:15 Uhr, meldeten sich erstmals die derzeitigen Prozessbevollmächtigten für die Klägerin mit dem Antrag, die Berufung zurückzuweisen.
Am 18. November 2010, per Fax um 18:06 Uhr, nahmen die Beklagten die Berufung zurück. Entsprechend wurden ihnen durch Beschluss vom 19. November 2010 die Kosten der Berufung auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2010 beantragte die Klägerin durch ihre derzeitigen Prozessbevollmächtigten Kostenfestsetzung gegen die Beklagten nebst Zinsen wie folgt:
Gegenstandswert: EUR 35.700,00
1,6 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV, §§ 2 Abs. 2, 13 RVG |
1.443,20 EUR |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gem. Nr. 7002 VV, § 1 Abs. 2 RVG |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.463,20 EUR |
19,00 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV auf EUR 1.463,20 |
278,01 EUR |
Gesamtsumme |
1.741,21 EUR |
Durch Beschluss vom 9. Februar 2011 erließ der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht den begehrten Kostenfestsetzungsbeschluss nach Antrag. Nach Zustellung dieses Beschlusses am 11. Februar 2011 legten die Beklagten, eingegangen am 24. Februar 2011, sofortige Beschwerde ein mit der Ansicht, zwischen den Parteien sei ein sogenanntes „Stillhalteabkommen” zu Stande gekommen, das eine Kostenfestsetzung gegen sie verbiete.
Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde am 9. März 2011 nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beklagten tragen vor, man habe mit dem vormaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20. September 2010 telefonisch vereinbart, dass er sich so lange nicht zu dem Berufungsverfahren melden werde, bis sie, die Beklagten, Klarheit darüber hätten, ob sie die Berufung tatsächlich durchführen. Der vormalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe dem ausdrücklich zugestimmt.
Zur Glaubhaftmachung legen die Beklagten eine E-Mail des ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29. März 2011 vor (Blatt 333 d.A.).
Die derzeitigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin wenden ein, sie hätten von dieser Vereinbarung nichts gewusst.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß den §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 2 ZPO; 11 Abs. 1 RPflegerG; 78 ArbGG statthaft, der Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR ist erreicht. Auch im Übrigen ist die Beschwerde zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt.
Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (§ 572 Abs. 1 ZPO).
Die sofortige Beschwerde ist begründet.
Die Klägerin kann von den Beklagten nicht die Erstattung der begehrten Kosten verlangen. Der Rechtspfleger hat dem Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin zu Unrecht entsprochen.
Nach dem Gesetz (§ 91 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Diese Pflicht reicht so weit, wie die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsansicht, dass der Berufungsgegner, selbst wenn ein Rechtsmittel ausdrücklich nur „fristwahrend” eingelegt wurde, grundsätzlich sofort einen Anwalt mit seiner Vertretung im Berufungsverfahren beauftragen kann, ohne gegen die Grundsätze des § 91 ZPO zu verstoßen (BAG vom 14. November 2007, NJW 2008, 1340; BGH v. 17. Dezember 2002 – X ZB 9/02 –, JurBüro 2003, 257; BAG v. 16. Juli 2003 – 2 AZB 50/02 –, NZA 2003, 1293). Dem folgt die erkennende Kammer seit langem (vgl. Kammerbeschlüsse. v. 20. Oktober 2003 – 13 Ta 387/03 und 13 Ta 388/03 –, vom 30. Oktober 2003 – 13 Ta 397/03 –, vom 29. März 2004 ...