keine Angaben zur Anfechtbarkeit
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenfestsetzung. Stillhalteabkommen. Rechtsmittel. Fristwahrung
Leitsatz (amtlich)
Auch bei einem zunächst nur „fristwahrend” eingelegten Rechtsmittel darf der Rechtsmittelgegner sofort einen Anwalt zu seiner Vertretung beauftragen, ohne gegen die Grundsätze des § 91 ZPO zu verstoßen.
Dies gilt nicht, wenn die Parteien ein sogenanntes „Stillhalteabkommen” geschlossen haben. Bloßes Schweigen auf eine entsprechende Bitte des Rechtsmittelführers reicht dazu nicht.
Normenkette
ZPO 91 I; RVG VV Nrn. 3200-3201
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Beschluss vom 12.06.2008; Aktenzeichen 11 Ca 111/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 12. Juni 2008 – 11 Ta 111/07 – aufgehoben. Der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 30. April 2008 wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte aus einem Beschwerdewert von 320,30 EUR zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Nach erstinstanzlichem Prozessverlust legte der Kläger beim erkennenden Gericht am 18. Februar 2008 Berufung ein (Az: 5 Sa 250/08). Mit Schreiben vom 19. Februar 2008 bat die Klägervertreterin den Vertreter der Beklagten, sich einstweilen nicht im Berufungsverfahren zu bestellen, da noch nicht feststehe, ob die Berufung durchgeführt wird. Der Beklagtenvertreter legitimierte sich deshalb kollegialiter nicht beim erkennenden Gericht, führte aber wegen der eingelegten Berufung Korrespondenz mit der Beklagten und deren Rechtsschutzversicherung. Am 18. März 2008 beantragte die Klägervertreterin die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat. Am 19. März 2008 bat sie den Beklagtenvertreter telefonisch um eine entsprechende Verlängerung der „Stillhaltevereinbarung”, die nach unbestrittenem Vortrag auch von dem Beklagtenvertreter gewährt wurde.
Am 18. April 2008 nahm der Kläger sodann die Berufung zurück. Entsprechend wurden ihm durch Beschluss vom 22. April 2008 die Kosten der Berufung auferlegt.
Am 30. April 2008 beantragte die Beklagte die Kostenfestsetzung gegen den Kläger wie folgt:
Gegenstandswert: |
4.279,74 EUR |
Berufung, vorzeitige Beendigung des Auftrags § 13, Nr. 3201, 3200 VV RVG 1,1 |
300,30 EUR |
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Gesamtbetrag |
320,30 EUR |
Zugleich wurde Verzinsung seit Antragseingang (2. Mai 2008) beantragt.
Durch Beschluss vom 12. Juni 2008 erließ der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht den begehrten Kostenfestsetzungsbeschluss nach Antrag. Nach Zustellung dieses Beschlusses am 20. Juni 2008 legte der Kläger, eingegangen am 1. Juli 2008, sofortige Beschwerde ein mit Ansicht, zwischen den Parteien sei ein sogenanntes „Stillhalteabkommen” zu Stande gekommen, das eine Kostenfestsetzung gegen ihn verbiete.
Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde am 30. Juli 2008 nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß den §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 2 ZPO; 11 Abs. 1 RPflegerG; 78 ArbGG statthaft, der Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR ist erreicht. Auch im Übrigen ist die Beschwerde zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt.
Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (§ 572 Abs. 1 ZPO).
Die sofortige Beschwerde ist begründet.
Die Beklagte kann von dem Kläger nicht die Erstattung der begehrten Kosten verlangen. Der Rechtspfleger hat dem Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten zu Unrecht entsprochen.
Nach dem Gesetz (§ 91 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Diese Pflicht reicht so weit, wie die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsansicht, dass der Berufungsgegner, selbst wenn ein Rechtsmittel ausdrücklich nur „fristwahrend” eingelegt wurde, grundsätzlich sofort einen Anwalt mit seiner Vertretung im Berufungsverfahren beauftragen kann, ohne gegen die Grundsätze des § 91 ZPO zu verstoßen (BAG vom 14. November 2007, NJW 2008, 1340; BGH v. 17. Dezember 2002 – X ZB 9/02 –, JurBüro 2003, 257; BAG v. 16. Juli 2003 – 2 AZB 50/02 –, NZA 2003, 1293). Dem folgt die erkennende Kammer seit langem (vgl. Kammerbeschlüsse. v. 20. Oktober 2003 – 13 Ta 387/03 und 13 Ta 388/03 –, vom 30. Oktober 2003 – 13 Ta397/03 –, vom 29. März 2004 – 13 Ta 61/04 –, vom 17. Juni 2004 – 13 Ta 197/04 –; vom 4. Oktober 2005 – 13 Ta 339/05 –, vom 15. März 2006 – 13 Ta 80/0– und vom 10. April 2007 – 13 Ta 70/07 –; ebenso auch LAG Berlin vom 20. August 2003, – 17 Ta 6060/03 –, MDR 2004, 58; KG vom 9. Mai 2005 – 1 W 20/05 – JurBüro 2005, 418; LAG Düsseldorf vom 8. November 2006 – 16 Ta 596/05 – MDR 2006,659; vgl. auch: Zöller/Herget, ZPO, 26. A...