Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachwirkung einer freiwilligen Betriebsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Die Einführung des Pokerspiels in einer Spielbank stellt keine Interessenausgleichsichtige Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG dar.
Normenkette
BetrVG §§ 111-112
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Beschluss vom 25.06.1997; Aktenzeichen 6 BV 12/96) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25.06.1997 – 6 BV 12/96 – abgeändert:
Es wird festgestellt, daß die gekündigte Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Mitarbeitern beim Pokerspiel vom 13.03.1995 nicht nachwirkt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob eine gekündigte Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Mitarbeitern beim Pokerspiel nachwirkt, was nur dann der Fall sein kann, wenn die Einführung des Pokerspiels eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung darstellte.
Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt eine Spielbank in Wiesbaden. Der Antragsgegner und Beteiligte zu 2) ist der bei ihr gebildete Betriebsrat. Am 13.03.1995 schlossen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Mitarbeitern beim Pokerspiel. Diese lautet:
- Der Betriebsrat stimmt dem Einsatz von fünf Mitarbeitern beim Pokerspiel zu.
- Der Arbeitgeber verpflichtet sich, im Gegenzug pro Tag mindestens so viele Aushilfen einzusetzen, wie Mitarbeiter beim Pokerspiel eingeteilt sind. Das gilt unter der Voraussetzung der Verfügbarkeit einer entsprechenden Zahl von Aushilfen. Der Arbeitgeber verpflichtet sich, durch entsprechende Ausbildungsangebote die Zahl der grundsätzlich verfügbaren Aushilfen in entsprechender Höhe zu halten.
- Die Anlage I zur Betriebsvereinbarung IDEE-Personal wird wie folgt geändert: in der drittletzten Zeile der Anlage I wird die Zahl 55 Mitarbeiter/innen ersetzt durch 61 Mitarbeiter/innen. Außerdem wird der letzte Satz um folgenden Halbsatz ergänzt: „…, vermindert um die Anzahl der für Poker täglich eingesetzten Dealer und Floorman.”
- Diese Regelung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. Sie kann mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden, erstmals jedoch zum 31.12.2000. Zum Zwecke der Erhöhung der Mitarbeiterzahl beim Poker über fünf hinaus hat der Arbeitgeber ein außerordentliches Kündigungsrecht mit dreimonatiger Frist.
- Diese Regelung präjudiziert nicht die Frage, ob die Einführung von Poker eine Betriebsänderung war. Ein etwaiger Anspruch auf Nachteilsausgleich gilt durch die vorstehende Vereinbarung als erfüllt. Aus der einstweiligen Verfügung vom 05.01.1994 Az 6 BvGa 4/93 und aus dem gerichtlichen Beschluß vom 05.01.1994 Az 6 BV 6/93 werden keine Rechte hergeleitet.
- Die Einführung neuer eigenständiger Spiele gilt als interessenausgleichspflichtig (z. B. Einführung von Backarat, Glücksrad, Crabs). Nicht als interessenausgleichspflichtig gelten bloße Varianten bereits angebotener Spiele (z. B. neue Varianten von Poker, Black Jack). Soweit die Einführung neuer Spiele nach dem vorstehenden Satz als interessenausgleichspflichtig gilt, wird damit nicht zugleich eine Sozialplanpflichtigkeit fingiert.
- Die Regelung der Arbeitszeit für den Bereich Poker erfolgt in einer gesonderten Betriebsvereinbarung.
- Der Betriebsrat nimmt den Antrag in dem Beschlußverfahren mit dem Aktenzeichen 6 BV 3/95 des Arbeitsgerichtes Wiesbaden (Hauptsacheverfahren Unterlassung des Betriebs von Poker länger als 02.00 Uhr) zurück. Der Arbeitgeber nimmt den Antrag auf Fristsetzung zur Erhebung der Klage zur Hauptsache (Az 6 BVGa 6/94 des Arbeitsgerichtes Wiesbaden) zurück. Aus den Beschlüssen des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 13.07.1994 Az 6 BVGa 6/94 und des Landesarbeitsgerichtes Frankfurt/Main vom 27.10.1994, Az 5 TaBVGa 125/94 werden keine Rechte hergeleitet. Gegen den Straffestsetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts Wiesbaden mit dem Az 6 BVGa 6/94 wird der Arbeitgeber Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Frankfurt/Main einlegen. Nach erfolgter Einlegung der Beschwerde wird der Betriebsrat den Straffestsetzungsantrag zurücknehmen.
Die Arbeitgeberin kündigte die Betriebsvereinbarung außerordentlich zum 31.03.1997. Sie möchte das Pokerspiel ausweiten und dabei – zumindest gelegentlich – mehr als fünf Mitarbeiter einsetzen.
Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, die Einführung und Durchführung des Pokerspiels stelle keine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung dar, weshalb es sich bei der gekündigten Betriebsvereinbarung um eine freiwillige handele, die nicht nachwirke. Auswirkungen auf den Dienstplan entstünden durch die Einführung des Pokers nicht, da dieser gesondert geregelt werde. Den Inhalt der Arbeitspflicht konkretisiere die Arbeitgeberin. Ein Mitbestimmungsrecht über die Anzahl der einzustellenden Aushilfen bestehe außerhalb der Rechte der §§ 99 ff. BetrVG nicht. Angesichts des Umstands, daß in der Spielbank keine wirtschaftliche Betätigung stattfände, sondern Betriebszweck die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei, im dem illega...