Entscheidungsstichwort (Thema)
Funktionelle Zuständigkeit des Urkundesbeamten der Geschäftsstelle für die Erteilung der Vollstreckungsklausel in einem Vergleich mit Widerrufsvorbehalt
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Vergleich mit Widerrufsvorbehalt ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nach § 795b ZPO für die Erteilung der Vollstreckungsklausel zuständig. Durch diese zum 31. Dezember 2006 in Kraft getretene Neuregelung ist die frühere entgegenstehende Rechtsprechung (BAG 5. November 2003 - 10 AZB 38/03 - Rn. 22, BAGE 108, 217, 28. April 1998 - 9 AZR 297/96 - Rn. 23, NZA 1998, 1126) überholt.
2. Ein Vergleich, der die Zahlung einer Abfindung “als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes„ vorsieht, ist kein bedingter Vergleich im Sinne von § 726 Abs. 1 ZPO.
3. Materielle Einwendungen gegen den Prozessvergleich, etwa dessen Wirksamkeit nach einer Anfechtung, sind im Verfahren nach § 732 ZPO nicht zu prüfen. In diesem Verfahren können nur Fehler formeller Art bei der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung gerügt werden.
Normenkette
ZPO §§ 732, 726, 795b
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 10.07.2016; Aktenzeichen 17 Ca 446/16) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 9. bzw.10. Juni 2016 - 17 Ca 446/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin, gleichzeitig Beklagte der Ausgangsrechtsstreite und Schuldnerin, wendet sich gegen die Erteilung einer Vollstreckungsklausel.
Die Parteien stritten im Ausgangsrechtsstreit - 17 Ca 3344/15 - unter anderem über die Wirksamkeit einer Kündigung der Schuldnerin (im Folgenden: Beklagten) vom 11. August 2015. Am 16. Dezember 2015 schlossen die Parteien einen Vergleich. Dieser hatte in Ziffer 1 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2016 und in Ziffer 4 die Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 200.000,00 brutto, fällig zum 31. März 2016, zum Gegenstand. Die Beklagte behielt sich in Ziffer 8 ein Recht zum Widerruf bis zum 13. Januar 2016 vor, übte dies jedoch nicht aus.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 teilte die Klägerin und hiesige Gläubigerin (im Folgenden: Klägerin) mit, dass sie "Widerspruch" gegen den Vergleich vom 16. Dezember 2015 einlege. Unter dem 11. Januar 2016 focht die Klägerin den Vergleich an. Daraufhin wird das Verfahren der Parteien in erster Instanz zum Aktenzeichen - 17 Ca 446/16 - fortgeführt zur Klärung der Frage, ob der Rechtsstreit durch den am 16. Dezember 2015 abgeschlossenen Vergleich beendet ist. Termin zur Verhandlung vor der Kammer ist für den 12. Oktober 2016 anberaumt. Parallel hierzu begann die Klägerin mit der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich, gerichtet auf Zahlung der Abfindung in Höhe von € 200.000,00 brutto.
Auf Antrag der Klägerin wurde am 27. April 2016 eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vom 16. Dezember 2015 erteilt. Hiergegen hat die Beklagte am 11. Mai 2016 Erinnerung eingelegt. Am 1. Juni 2016 hat die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle entschieden, dass "der Erinnerung ... nicht abgeholfen wird". Zudem hat der Vorsitzende der Kammer durch Beschluss vom 9. Juni 2016 - in der Ausfertigung für die Parteien mit dem Datum 10. Juni 2016 versehen - entschieden, dass der Erinnerung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht abgeholfen wird. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs nicht zu prüfen habe.
Gegen diesen ihr am 13. Juni 2016 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. Juni 2016 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie meint, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stelle für die Abfindungszahlung eine aufschiebende Bedingung im Sinne von § 726 ZPO dar. Diese sei infolge der Anfechtung des Vergleichs gerade noch nicht eingetreten. Die Anfechtung bewirke, dass dem Vergleich vom 16. Dezember 2015 zunächst die prozessbeendende Wirkung entzogen werde. Die Klägerin könne nur dann die Zahlung der Abfindung im Rahmen der Zwangsvollstreckung verlangen, wenn das Arbeitsverhältnis rechtlich zum 31. März 2016 geendet hätte. Dies stehe nach der Anfechtung des Vergleichs durch die Klägerin jedoch nicht fest, sondern müsse durch das Arbeitsgericht erst noch entschieden werden.
Das Arbeitsgericht Frankfurt hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 22. Juli 2016 nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für die Erteilung der Vollstreckungsklausel nur entscheidend sei, ob der Vergleich einen vollstreckungsfähigen Inhalt habe. Die Wirksamkeit der Vollstreckung sei nicht von Tatsachen abhängig, die sich aus dem Vergleich selbst ergeben würden.
II.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 23. Juni 2016 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 9. bzw. 10. Juni 2016 - 17 Ca 446/16 - ist statthaft gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr....