Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage. Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten?
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen des § 5 Abs. 1 KSchG wird das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem klagenden Arbeitnehmer nicht zugerechnet (Aufgabe früherer anders lautender Rechtsprechung des Hessischen Landesarbeitsgerichts)
Normenkette
KSchG § 5 Abs. 1; ZPO § 85 Abs. 2; BGB § 278
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 26.03.2002; Aktenzeichen 2 Ca 8507/01) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird derBeschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Januar 2002 – 2 Ca 8507/01 – aufgehoben. Die Klage gegen die Kündigung vom 28. September 2001 wird nachträglich zugelassen. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Im Hauptverfahren streiten die Verfahrensbeteiligten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung vom 28. September zum 31. Oktober 2001, die dem Kläger am 28. September 2001 zugegangen ist. Der Kläger begehrt zudem die nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage.
Die Kündigungsschutzklage vom 22. Oktober 2001 ist per Fax am 22. Oktober 2001 beim Arbeitsgericht eingegangen, zusammen mit dem Antrag gem. § 5 KSchG. Der Antrag ist im Wesentlichen damit begründet, dass eine geschulte, zuverlässige und regelmäßig kontrollierte Angestellte der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten entgegen den Weisungen die Handakte nicht mit dem Vermerk Fristablauf vorgelegt habe, sondern zusammen mit sonstigen Wiedervorlagen. Daher sei erst am 22. Oktober 2001 im Rahmen der normalen Bearbeitung der Fristablauf aufgefallen. Zur Glaubhaftmachung ist eine eidesstattliche Versicherung der genannten Angestellten vorgelegt worden. Der Beklagte hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, es liege ein eigenes Verschulden der klägerischen Prozessbevollmächtigten vor, die Klage sie nicht nachträglich zuzulassen.
Für die Darstellung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts Bezug genommen (Blatt 31 d.A.).
Das Arbeitsgericht hat mit Kammerbeschluss vom 16. Januar 2002 den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung zurückgewiesen, da ein dem Kläger zuzurechnendes Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten vorliege. Der begründete Beschluss (Blatt 30 bis 37 d.A. – hierauf wird auch bezüglich der Entscheidungsbegründung im Einzelnen Bezug genommen) ist den Klägervertretern am 13. Februar 2002 zugestellt worden.
Am 27. Februar 2002 ist per Fax beim Arbeitsgericht die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers eingegangen, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 01. März 2002 nicht abgeholfen hat. Für den Inhalt der Beschwerdebegründung vom 27. Februar 2002 wird auf Blatt 46 bis 48 d.A. Bezug genommen.
Der Beklagte tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Entscheidungsgründe
II.
Die Entscheidung über die statthafte (§ 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG) und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung (§ 78 Satz 1 ArbGG n.F., §§ 572 Abs. 4, 128 Abs. 4 ZPO n.F.) ergehen und wird vom Vorsitzenden allein getroffen (§ 78 Satz 3 ArbGG n.F.).
Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die Klage gegen die streitgegenständliche Kündigung ist gemäß § 5 Abs. 1 KSchG antragsgemäß nachträglich zuzulassen.
Die Klage ist nicht innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG erhoben (§§ 253 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 270 Abs. 3 ZPO a.F.), und es ist daher über den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung zu entscheiden (dazu BAG Urteile vom 28. April 1983 – 2 AZR 438/81 – und 05. April 1984 – 2 AZR 67/83 – AP Nr. 4 mit abl. Anm. Grunsky und Nr.6 zu § 5 KSchG 1969 = EzA § 5 KSchG Nr. 20 mit krit. Anm. Otto und Nr. 21; Wenzel, in: Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 5 Rz. 24; insoweit ebenso APS/Ascheid, § 5 KSchG Rz. 97 mit weit. Nachw.; a.A. insoweit etwa LAG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 22. Oktober 1997 – 5 Ta 229/97 LAGE § 5 KSchG Nr. 92 – auf die Frage des Prüfungsumfangs im Übrigen und die Frage der Bindungswirkung des Beschlusses gem. § 5 KSchG ist hier nicht näher einzugehen [dazu etwa APS/Ascheid, § 5 KSchG Rz. 103 ff. und 129 ff. mit weif. Nachw.]).
Die Klagefrist war am 19. Oktober 2001 um 24 Uhr abgelaufen (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB, da die Kündigung am 28. September 2001 zugegangen war), doch ist die Klage erst verspätet am 22. Oktober 2001 beim Arbeitsgericht eingereicht worden.
Der vom Kläger gestellte Antrag genügt den von § 5 Abs. 2 Satz 1 KSchG aufgestellten Voraussetzungen und wahrt die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG (die Höchstfrist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG ist nicht tangiert). Die die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen sind angegeben (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG).
Der Kläger war unverschuldet im Sinne des § 5 Abs. 1 KSchG verhindert, die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG einzuhalten.
Ein eigenes Verschulden des Klägers steht nicht in Rede, und ein mögliches Verschulden der Angestellten der klägerischen...