Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Arbeitgebers zur Erstattung von Übernachtungskosten eines Betriebsratsmitglieds
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den vom Arbeitgeber nach § 40 Absatz 1 BetrVG zu erstattenden Kosten gehören auch Reisekosten, die das Betriebsratsmitglied zur Durchführung konkreter Betriebsratstätigkeit aufgewendet hat. Dies schließt notwendige Übernachtungskosten ein. Maßgeblich ist, ob das Betriebsratsmitglied die Kosten unter Berücksichtigung der Gegebenheiten im Zeitpunkt der Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben für erforderlich halten durfte. Nicht erforderlich ist, dass die vorherige Zustimmung des Arbeitgebers hierzu eingeholt wird.
2. Nach § 82 Absatz 2 Satz 1 Alt. 3 und Satz 2 BetrVG kann der Arbeitnehmer verlangen, dass die Möglichkeiten seiner beruflichen Entwicklung im Betrieb erörtert werden. Er kann ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Hat der Arbeitgeber im Rahmen eines Interessenausgleichs die Zuordnung von Stellen im Außendienst einer paritätisch besetzten Stellenbesetzungskommission übertragen, kann der Arbeitnehmer auch zu einem Gespräch vor dieser Kommission ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen.
Normenkette
BetrVG § 82 Abs. 2 S. 2, § 40 Abs. 1, § 82 Abs. 2 S. 1 Alt. 3
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 22.05.2015; Aktenzeichen 14 BV 8/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 22. Mai 2015 -14 BV 8/14 - teilweise abgeändert:
Den Beteiligten zu 2, 4, 5, 6 wird aufgegeben, der Antragstellerin 134,00 EUR (in Worten: Einhundertvierunddreißig und 0/100 Euro) zu zahlen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Übernachtungskosten eines Betriebsratsmitglieds.
Die Beteiligten zu 2, 4-6 (Arbeitgeber) betreiben Pharma-Unternehmen. Beteiligter zu 3 ist der dort gebildete Betriebsrat, dem die Antragstellerin angehört.
Die Antragstellerin nahm vom 29. September bis 1. Oktober 2014 an einem Inhouse-Seminar des Betriebsrats in A teil. Die Veranstaltung endete um 15:30 Uhr. Für den 2. Oktober 2014 waren Sondierungsgespräche im Rahmen einer Betriebsänderung für den Außendienst der Beteiligten zu 2 in B angesetzt. Diese fanden vor einer von den Betriebspartnern in einem Interessenausgleich (Bl. 70-72 der Akten) vereinbarten paritätisch aus Betriebsratsmitgliedern und Arbeitgebervertretern zusammengesetzten Stellenbesetzungskommission, der die Antragstellerin nicht angehörte, statt und waren vom Arbeitgeber für die Zeit von 8:45 Uhr bis 17:45 Uhr bei einer Mittagspause von einer halben Stunde im 15 Minutentakt angesetzt; insoweit wird auf den Ablaufplan Bl. 178 d.A. Bezug genommen. Da die Antragstellerin als Außendienstmitarbeiterin selbst von der Betriebsänderung betroffen war, war für sie um 10:15 Uhr ein eigener Gesprächstermin vorgesehen. Im Laufe des Vormittags führte die Antragstellerin Vorgespräche von jeweils 20-30 min mit 5 Außendienstmitarbeitern und nahm nachmittags an 7 Besprechungen von Außendienstmitarbeitern vor der Stellenbesetzungskommission teil. Diese fanden zu folgenden Zeiten statt:
12:00 Uhr bis 12:15 Uhr Frau C
13:45 Uhr bis 14:00 Uhr Frau D
14:45 Uhr bis 15:00 Uhr Frau E
15:15 Uhr bis 15:30 Uhr Herr F
16:30 Uhr bis 16:45 Uhr Frau G
17:00 Uhr bis 17:15 Uhr Frau H
17:30 Uhr bis 17:45 Uhr Herr I
Die Antragstellerin war bereits am Vorabend von A aus nach B angereist und übernachtete dort im Hotel. Hierfür fielen Kosten in Höhe von 134 € an, die sie mit der ihr überlassenen Firmenkreditkarte beglich. Der Betrag wurde ihr später rückbelastet. Diesen macht sie in dem vorliegenden Beschlussverfahren geltend.
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, eine Anreise am 2. Oktober 2014 sei ihr nicht zuzumuten gewesen, da ihr Arbeitstag einschließlich der Reisezeiten dann 12 h überschritten hätte.
Der Arbeitgeber hat eingewandt, die Übernachtungskosten seien nicht erforderlich gewesen, da die Antragstellerin zuhause in J hätte übernachten und am Folgetag mit dem ihr überlassenen Firmenfahrzeug in das 103 km entfernte Hotel in B habe anreisen können. Dies hätte 1 h und 10 min gedauert. Außerdem habe es an der nach der im Betrieb geltenden Reisekostenrichtlinie (Bl. 59-68 d.A.) erforderlichen Zustimmung des Personalleiters gefehlt. Die am 2. Oktober 2014 geführten Gespräche seien keine im Sinne von § 3 Nr. 4e Interessenausgleich gewesen, sodass die Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Betriebsratsmitglied nicht teilnahmeberechtigt gewesen sei.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I (Bl. 130-134 d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Die Antragstellerin habe keine Umstände vorgetragen, die dafür sprechen, dass es ihr nicht zumutbar gewesen wäre, am 2. Oktober 2014 nach B und zurück zu reisen. Selbst wenn die Antragstellerin wie von ihr vorgetragenen bereits ab 7:50 Uhr Vorgesprä...