Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Frist zur Anfechtung eines nicht oder nicht ordnungsgemäß zugestellten Beschlusses

 

Leitsatz (amtlich)

Fehlt die Zustellung eines Beschlusses, der gemäß den §§ 567 ff ZPO angreifbar ist, oder ist die Zustellung unterblieben, unwirksam oder nicht nachweisbar, so beginnt die Frist des § 569 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. ZPO mit dem Ablauf von 5 Monaten nach der Verkündung. Für nicht verkündete Beschlüsse gilt dies entsprechend. Die Fünfmonatsfrist beginnt dann mit der Bekanntgabe an die Parteien. Das ist zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs erforderlich.

 

Normenkette

ZPO § 569 Abs. 1; RVG § 11

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.02.2014; Aktenzeichen 5 Ca 4140/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägervertreters gegen den Abhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Februar 2014 - 5 Ca 4140/11 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Am 29. Mai 2012 nahm der Klägervertreter die für den Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. März 2012 eingelegte Berufung zurück.

Am 23. November 2012 beantragte der Klägervertreter für die Berufungsinstanz Kostenfestsetzung nebst Zinsen gegen den Kläger wie folgt:

1,60 Verfahrensgebühr §§ 2 Abs. 2, 13 RVG, Nr. 3200 VV RVG

1.673,60 €

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Summe

1.693,60 €

19,00 Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

321,78 €

Gesamtbetrag

2.015,38 €

Der Kostenfestsetzungsantrag wurde dem Kläger - wie auch der in vollem Umfang stattgebende Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Dezember 2012 - unter der Adresse A, am 20. Dezember 2012 durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt. Dort wohnte zu diesem Zeitpunkt allein die Mutter des Klägers. Der Kläger ist dort gemäß Abfrage beim Einwohnermeldeamt vom 5. Februar 2014 (Bl. 137 d.A.) seit 10. Februar 2012 nicht mehr wohnhaft. Er hat seinen Lebensmittelpunkt seitdem unter der im Rubrum festgehaltenen Adresse in B.

Anlässlich eines Besuches bei seiner Mutter ab 16. Januar 2014 erfuhr der Kläger - nach seiner Darlegung nicht vor dem 22. Januar 2014 - von dem Kostenfestsetzungsbeschluss und legte am 3. Februar 2014 per Fax beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main "Beschwerde" ein unter Hinweis auf die seiner Ansicht nach fehlerhafte Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses und darauf, dass der Klägervertreter ihm hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens unzutreffende Angaben gemacht habe und die Berufung nur eingelegt werden sollte, wenn eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vorliege. Dadurch sei ihm ein Schaden entstanden.

Durch Beschluss vom 27. Februar 2014 half der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht der so verstandenen sofortigen Beschwerde des Klägers ab und hob den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Dezember 2012 auf. Nach Ansicht des Rechtspflegers war der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Dezember 2012 nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde habe daher noch nicht zu laufen begonnen. Die Einwendungen des Klägers hätten ihren Grund nicht im Gebührenrecht. Sie seien daher im Wege der Gebührenklage zu prüfen.

Nach Zustellung dieses Beschlusses am 3. März 2014 erhob der Klägervertreter hiergegen am 12. März 2014 sofortige Beschwerde mit der Ansicht, der Kläger habe die Beschwerdefrist für seine Beschwerde vom 3. Februar 2014 versäumt. Die Zustellung an die Adresse A sei rechtlich korrekt. Man habe mit dem Kläger absprachegemäß aus Gründen der Vereinfachung immer über diese Adresse und die dort ansässige Mutter des Klägers korrespondiert.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde des Klägervertreters nicht abgeholfen und die Sache am 15. April 2014 dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den weiteren Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägervertreters gegen den Abhilfebeschluss des Rechtspflegers vom 37. Februar 2014 ist zulässig (§ 11 Abs. 2 RVG i.V.m. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO), insbesondere ist sie gemäß § 569 Abs. 1 ZPO fristgerecht innerhalb von 2 Wochen erhoben. Der notwendige Beschwerdewert von mehr als 200 € ist erreicht (§ 567 Abs. 2 ZPO).

Die Beschwerde ist unbegründet. Der Klägervertreter kann keine gerichtliche Kostenfestsetzung gegen den Kläger verlangen.

Zu Recht hat der Rechtspfleger auf die "Beschwerde" des Klägers den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Dezember 2012 aufgehoben und der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Klägervertreters nicht abgeholfen.

Entgegen der Ansicht des Klägervertreters war der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Dezember 2012 zum Zeitpunkt des Eingangs der Beschwerde des Klägers vom 3. Februar 2014 noch nicht rechtskräftig und damit auch noch abhilfefähig (§ 572 Abs. 1 S. 1 ZPO). Insbesondere war die dem Kläger zukommende Beschwerdefrist von 2 Wochen (§ 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) am 3. Februar 2014 noch nicht abgelaufen.

Die Beschwer...

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