Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung
Leitsatz (amtlich)
Hat das Arbeitsgericht einer Kündigungsschutzklage gegen eine außerordentliche Kündigung stattgegeben, ist es in der Regel ermessensfehlerhaft, wenn es das Verfahrer über die Wirksamkeit einer zeitlich früher ausgesprochenen, aber später wirksamen ordentlichen Kündigung aussetzt. Dies folgt aus den besonderen Beschleunigungsvorschriften des arbeitsgerichtlichen Verfahrens für Bestandsstreitigkeiten.
Normenkette
ZPO § 148; ArbGG § 9 Abs. 1, § 61a
Verfahrensgang
ArbG Hanau (Beschluss vom 17.06.1999; Aktenzeichen 2 Ca 794/97) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Aussetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts Hanau vom 17. Juni 1999 – 2 Ca 794/97 – aufgehoben.
Das Arbeitsgericht wird angewiesen, hinsichtlich des noch nicht entschiedenen Teils des Antrags zu 1) betreffend die Kündigung vom 16. Oktober 1997 und des hilfsweise gestellten Auflösungsantrags der Beklagten unverzüglich Termin anzuberaumen und das Verfahren fortzusetzen.
Die Kosten der Beschwerde hat die Beklagte zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf DM 9.250,– festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren vor dem Arbeitsgericht Hanau um die Wirksamkeit von außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 31.08. und 01.09.1998 und einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom 16.10.1997 zum 31.12.1998. Die Beklagte hat hilfsweise einen Auflösungsantrag gestellt.
Durch Teil-Urteil vom 17.06.1999 hat das Arbeitsgericht der Klage gegen die außerordentlichen Kündigungen stattgegeben mit der Begründung, daß diese wegen einer nicht ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung unwirksam seien und weiterhin die Einhaltung der 2-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht dargelegt sei. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung unter dem Aktenzeichen 5 Sa 1322/99 eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist ist antragsgemäß bis zum 30.09.1999 verlängert worden.
Das Verfahren hinsichtlich der Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung hat das Arbeitsgericht durch Beschluß vom 17.06.1999 ausgesetzt wegen Vorgreiflichkeit der Entscheidung über die außerordentlichen Kündigungen.
In einem weiteren Verfahren hat der Kläger Vergütungs- und Zahlungsansprüche und einen Zeugnisberichtigungsantrag verfolgt.
Die Beklagte hat gegen den Zahlungsanspruch die Aufrechnung in Höhe einer Tantiemerückforderung von DM 60.000,– erklärt.
Im Teil-Urteil vom 17.06.1999 hat das Arbeitsgericht dem Kläger die Vergütung für den Monat August 1998 zugesprochen. Eine Aufrechnung gegen diesen Anspruch hat es abgelehnt. Gegen dieses Teil-Urteil hat die Beklagte am 30.07.1999 Berufung unter dem Aktenzeichen 5 Sa 1323/99 eingelegt. Auch hier ist die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum 30.09.1999 verlängert worden. Durch Beschluß vom 17.06.1999 hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit hinsichtlich der übrigen Klageansprüche ausgesetzt. Die Beschwerde des Klägers hiergegen war teilweise erfolgreich (Beschluß vom 11.08.1999-5 Ta 513/99).
Gegen den ihm am 30.06.1999 zugestellten Aussetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts betreffend die Klage gegen die ordentliche Kündigung vom 16.10.1997 hat der Kläger am 05.07.1999 Beschwerde eingelegt. Durch Beschluß vom 07.07.1999 (Bl. 122 d.A.) hat das Arbeitsgericht es abgelehnt, der Beschwerde abzuhelfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist gem. den §§ 252, 148, 567 Abs. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch formgerecht i.S.d. §§ 78 Abs. 1 ArbGG, 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden.
Die Beschwerde ist begründet.
1) Der Sitzungsniederschrift vom 17.06.1999 ist nicht zu entnehmen, daß den Parteien rechtliches Gehör zur Absicht des Gerichts gewährt worden wäre, den Rechtsstreit teilweise auszusetzen. Es hatte auch ausweislich des Akteninhalts keine Partei die Aussetzung beantragt. Die Erwägungen des Gerichts sind den Parteien, soweit dies aus der Akte nachvollziehbar ist, erst durch den Nichtabhilfebeschluß vom 07.07.1999 mitgeteilt worden. Grundsätzlich ist rechtliches Gehör vor dem Erlaß eines Aussetzungsbeschlusses zu gewähren. Da der Kläger die Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs jedoch nicht gerügt hat, sollen diese Erwägungen keinen Grund für die Aufhebung des Beschlusses darstellen.
2) Gemäß § 148 ZPO kann das Gericht eine Aussetzung anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Prozeßgerichts. Sie ist eine prozeßleitende Maßnahme zur Verhinderung überflüssiger Mehrarbeit und sich widersprechender Entscheidungen in parallel geführten Prozessen. In der Beschwerde ist diese Entscheidung auf Ermessensfehler hin zu überprüfen. Die Prüfung hat sich einerseits am Zweck des § 148 ZPO und andererseits an dem Anspruch der Parteien auf Durchführung des Verfahrens innerhalb einer angemessenen und nicht übermäßig langen Zeit zu orientieren, wobei im arbeitsgerichtlichen Verfahren darüber hinaus...