Entscheidungsstichwort (Thema)
Substantiierungspflicht des Arbeitgebers im Zwangsvollstreckungsverfahren. Materieller Einwand der Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung auch im Zwangsvollstreckungsverfahren statthaft. Corona-Pandemie keine Allheilbegründung für Unmöglichkeit titulierter Weiterbeschäftigung (hier Fluggesellschaft)
Leitsatz (amtlich)
1. Macht der Arbeitgeber geltend, ihm sei es unmöglich geworden, den Arbeitnehmer gemäß dem in erster Instanz erstrittenen Titel weiter zu beschäftigen, so muss er dies substantiiert im Zwangsvollstreckungsverfahren gemäß § 888 ZPO dartun. Der Arbeitgeber trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast.
2. Macht der Arbeitgeber geltend, die Möglichkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers sei durch die Corona-Pandemie unmöglich geworden, so bedarf es hierzu eines konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Vortrags. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber eine Flugverkehrsgesellschaft ist. Die allseits bekannten negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf die Luftverkehrsbranche ersetzen keinen konkreten Parteivortrag in Bezug auf das konkrete Arbeitsverhältnis.
Normenkette
ZPO § 888; ArbGG § 62 Abs. 2, § 78; ZPO §§ 91, 91a, 567
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.09.2020; Aktenzeichen 4 Ca 6590/19) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. vom 3. September 2020 - 4 Ca 6590/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten zuletzt über die Frage, ob eine Erledigung hinsichtlich des in erster Instanz erstrittenen Weiterbeschäftigungstitels eingetreten ist.
Zwischen den Parteien war vor dem Arbeitsrecht Frankfurt ein Kündigungsschutzprozess anhängig. Mit Urteil vom 25. Februar 2020 ist die Schuldnerin verurteilt worden, die Gläubigerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als „Traffic Agent“ bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreites weiter zu beschäftigen. Dieses Urteil ist der Schuldnerin am 1. April 2020 zugestellt worden. Die Vollstreckungsklausel ist am 7. April 2020 erteilt worden.
Gegen dieses Urteil hat die Schuldnerin mit Schreiben vom 14. April 2022 Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren wurde vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht unter dem Az.: 17 Sa 467/20 geführt. Mit Schreiben vom 30. September 2020 ist die Berufung zurückgenommen worden.
Zwischen den beiden Prozessbevollmächtigten der Parteien gab es im April 2020 einen E-Mail-Verkehr über die Frage, ob sich die Parteien doch noch gütlich einigen könnten sowie über die Frage, ob die Gläubigerin weiter zu beschäftigen sei. Mit E-Mail vom 22. April 2020 teilte der Prozessbevollmächtigte der Schuldnerin mit, dass hiermit bestätigt würde, dass die Gläubigerin aufgrund des noch laufenden Arbeitsgerichtsverfahren weiter beschäftigt werde und auch rückwirkend zum Tag ihres Ausscheidens wieder in die Gehaltszahlungen einbezogen würde (Bl. 188 der Akte) . Die Gläubigerin solle sich zur Arbeitsaufnahme bereithalten. Als Kontaktperson wurde Herr A benannt.
Mit Schreiben vom 7. Mai 2020 hat die Gläubigerin einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes gestellt, da sie nicht gemäß dem Titel weiter beschäftigt werde.
Die Gläubigerin wurde sodann gemäß der aktuellen Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit zu 50 % tatsächlich weiterbeschäftigt. Der erste Arbeitseinsatz erfolgte am 20. Mai 2020.
Mit Schreiben vom 3. Juni 2020 hat die Schuldnerin den Zwangsvollstreckungsantrag für erledigt erklärt. Die Schuldnerin ist der Erledigung entgegengetreten.
Die Schuldnerin hat vorgetragen, es sei unzutreffend, dass sie nicht bereit gewesen sei, die Gläubigerin weiter zu beschäftigen. Sie hat behauptet, dass sie sich nach Erhalt des Aufforderungsschreibens vom 15. April 2020 mit dem Prozessvertreter der Gläubigerin telefonisch in Verbindung gesetzt und mitgeteilt habe, dass die Gläubigerin weiter beschäftigt werde. Gleichzeitig sei darüber informiert worden, dass aufgrund der Coronakrise im Betrieb der Schuldnerin Kurzarbeit eingeführt worden sei, da praktisch keine Flüge mehr durchgeführt würden. Sie hat ferner die Auffassung vertreten, dass sich der Zwangsvollstreckungsantrag nicht erledigt habe und die Kosten der Gläubigerin aufzuerlegen seien. Insbesondere habe sie sich noch innerhalb der ihr bis zum 20. April 2020 gesetzten Frist geäußert. Dass ein tatsächlicher Arbeitseinsatz am Flughafen nicht habe sofort erfolgen können, habe seine Ursache darin, dass der operative Betrieb am Flughafen wegen der pandemiebedingten Beschränkungen praktisch zum Erliegen gekommen sei. Dies sei auch der Gläubigerin bekannt gewesen.
Mit Beschluss vom 3. September 2020 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass sich das Zwangsvollstreckungsverfahren erledigt habe, ferner hat es die Kosten der Schuldnerin auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Schuldnerin habe nicht dargelegt, dass es ihr auch in Anbetracht der Corona-Pandemie unmöglich gewesen sei...