Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsfähiger Inhalt eines Weiterbeschäftigungstitels. Einwand der Unmöglichkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Erfolglose Beschwerde gegen die Verhängung von Zwangsmitteln zur Durchsetzung eines (Urteils-) Titels auf Weiterbeschäftigung mit den Streitpunkten:
- Bestimmtheit des Weiterbeschäftigungstitels
- Einwand der Unmöglichkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren
Orientierungssatz
1. Bei der Prüfung, welche Verpflichtungen durch den Vollstreckungstitel festgelegt werden, kann grundsätzlich nur auf diesen selbst, nicht dagegen auf andere Schriftstücke zurückgegriffen werden. Handelt es sich bei dem Titel um ein Urteil, ist zu berücksichtigen, dass § 313 Abs 2 ZPO die Verweisung auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ausdrücklich vorsieht. Soweit das Gericht davon Gebrauch gemacht hat, sind diese Unterlagen deshalb als Teil des vollstreckbaren Titels zu betrachten.
2. Alle Umstände, die schon vor Urteilserlass eingetreten, im Erkenntnisverfahren vorgetragen und vom Gericht im Rahmen der Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsanspruch gewürdigt worden sind bzw. von der Schuldnerin hätten vorgebracht werden können, sind im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens unbeachtlich. Dies ist der Fall bei der hier geltend gemachtem Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung.
Normenkette
ZPO §§ 888, 313 Abs. 2; BGB § 275
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Beschluss vom 23.03.2009; Aktenzeichen 3 Ca 63/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 23.03.2009 – 3 Ca 63/08 – aufgehoben.
Gegend die Schuldnerin wird zur Erzwingung der Verpflichtung aus dem arbeitsgerichtlichen Urteil vom 01.10.2008 – 3 Ca 63/08 –, nämlich die Gläubigerin zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Direktor Data Services weiter zu beschäftigen, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR verhängt.
Für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, wird für je 1.000,00 EUR ein Tag Zwangshaft verhängt, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Schuldnerin, Herrn A.
Die Vollstreckung der Zwangsmittel entfällt, sobald die Schuldnerin ihrer Verpflichtung nachkommt.
Die Schuldnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Gläubigerin wendet sich mit ihrer am 14.04.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen einen ihr am 27.03.2008 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 23.03.2009, durch den ihr die Verhängung von Zwangsmitteln zur Durchsetzung der Verpflichtung der Schuldnerin aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Gießen, sie als Direktor Data Services weiter zu beschäftigen, versagt wurde.
Das Arbeitsgericht Gießen hat mit Urteil vom 1.10.2008 die Unwirksamkeit einer von der Schuldnerin am 8.03.2008 ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung festgestellt und die Schuldnerin zur Weiterbeschäftigung der Gläubigerin als Direktor Data Services verurteilt. Die Schuldnerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, über die bislang noch nicht entschieden ist.
Die Gläubigerin ist der Ansicht, der Titel habe unter Heranziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen einen vollstreckungsfähigen Inhalt. Er ergebe sich aus dem im Urteil angeführten Schreiben der Schuldnerin vom 27.02.2006, in dem die Tätigkeit der Gläubigerin erläutert werde, sowie aus den Ausführungen zur Tätigkeit der Gläubigerin im unstreitigen Teil des Tatbestands des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Die Gläubigerin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 23.03.2009, Az. 3 Ca 63/08, aufzuheben und dem Zwangsvollstreckungsantrag stattzugeben.
Die Schuldnerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Schuldnerin ist der Ansicht, der Titel habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, da sich einem Dritten daraus nicht erschließe, mit welchen konkreten Tätigkeiten die Gläubigerin zu beschäftigen sei. Außerdem sei die Beschäftigung der Gläubigerin als Direktor Data Service für die Schuldnerin offensichtlich unmöglich geworden. Der Arbeitsplatz der Klägerin sei mit der gesamten Abteilung „Project Office Performance Measurement” nach England verlagert worden. Dies habe die Zeugin B bei ihrer Aussage vor dem Arbeitsgericht bestätigt.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, sondern sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 793 ZPO an sich statthaft und wurde innerhalb der in § 569 Abs. 1 ZPO normierten Zweiwochenfrist, die erst am 14.04.09, dem Dienstag nach Ostern ablief, eingelegt.
In der Sache selbst ist die Beschwerde erfolgreich. Der Zwangsmittelantrag der Gläubigerin ist begründet.
Der Antrag auf Verhängung von Zwangsmitteln ist nach § 888 ZPO gerechtfertigt. Bei der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung handelt es sich nach fast einhelliger Auffassung um die Verurteilung zur Vornahme einer unvertretbar...