Leitsatz (amtlich)

Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für die Drittschuldnerklage, wenn der Schuldner als arbeitnehmerähnliche Person in den Diensten des Drittschuldners steht, der Drittschuldner zugleich aber familienähnlich verbunden ist.

 

Normenkette

ZPO § 850 h Abs. 2; GVG § 17a; ArbGG §§ 5, 48

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 19.11.1992; Aktenzeichen 2 Ca 565/91)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Kläger vom 24.02.1993 wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19.11.1992 – 2 Ca 565/91 – aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit zulässig ist.

Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die gem. § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG statthafte, gem. § 577 Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde (Bl. 54, 57 d. A.) ist begründet. Der Rechtsweg zum Arbeitsgericht ist den Klägern gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a, 3, 5 Abs. 1 ArbGG eröffnet. Diese Entscheidung trifft das Beschwerdegericht ohne Zuziehung von ehrenamtlichen Richtern (BAG, Beschluß vom 10.12.1992 – 8 AZB 6/92 –). Die Anwendung des § 850 Abs. 2 ZPO setzt kein Arbeitsverhältnis voraus, sondern ist grundsätzlich auch anwendbar bei familienrechtlicher Mitarbeit oder bei reiner Gefälligkeitsarbeit (vgl. Fenn, AcP 167, 148, 151 f.; derselbe FamRZ 1968, 291, 299 f; Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, 20. Auflage, § 850 h RZ 27; LAG Frankfurt MDR 1965, 1026; BAB AP Nr. 15 zu § 850 h ZPO; BAG AP Nr. 16 zu § 850 h ZPO, jeweils m.w.N.). § 850 h Abs. 2 ZPO stellt nur auf die tatsächliche Arbeitsleistung im Interesse des Leistungsempfängers ab. Die Arbeitskraft des Schuldners als solche stellt einen wirtschaftlichen Wert dar, der zu einer Vergütungsfiktion zugunsten des Gläubigers führt (vgl. Boewer/Bommermann, Lohnpfändung in Recht und Praxis, 1982, RZ 837). Die familienrechtliche Beziehung zwischen Schuldner und Drittschuldner ist daher in der Regel lediglich bei der Höhe der Vergütung und nicht schon bei der Frage der Vergütungspflicht zu berücksichtigen (BAG AP Nr. 16 zu § 850 h Abs. 2 ZPO). Von der Frage, ob die Voraussatzungen des § 850 h Abs. 2 ZPO gegeben sind, ist aber die andere Frage zu trennen, in welcher Gerichtsbarkeit hierüber zu befinden ist. Zwar wird die Ansicht vertreten, die Arbeitsgerichte seien für das Verfahren nach § 850 h Abs. 2 ZPO ausnahmslos zuständig, da diese Bestimmung nicht nur einen Zahlungsanspruch, sondern auch den Bestand eines Arbeitsverhältnisses fingiere (vgl. z.B. Baumbach-Lauterbach u.a., ZPO, 49. Aufl., § 850 h Anm. 3 D 4; Grunsky, ArbGG, 6. Auflage, § 5 Rdz. 10, Kissel, GVG, § 13 Rdz. 182). Dem kann das Beschwerdegericht aber nicht folgen. Dieser Gesetzesauslegung steht bereits entgegen, daß § 850 h Abs. 2 ZPO nur die Rechtsbeziehungen zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und dem Drittschuldner betrifft, dagegen das zwischen dem Drittschuldner und dem Vollstreckungsschuldner bestehende Rechtsverhältnis unberührt läßt. Für den Rechtsweg ist aber gerade auf die Art des letztgenannten Rechtsverhältnisses abzustellen, was aus den v.g. §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a, 3 ArbGG erhellt. Danach kann der kraft der Pfändung gegenüber dem Drittschuldner an die Stelle des Vollstreckungsschuldners tretende Pfandgläubiger den Drittschuldner vor den Arbeitsgerichten nur dann verklagen, wenn das Rechtsverhältnis zwischen dem Drittschuldner und dem Vollstreckungsschuldner, in das der Pfandgläubiger in den Grenzen der Pfändung eindringt, ein Arbeitsverhältnis ist, wobei es ausreicht, daß der Vollstreckungsschuldner eine arbeitnehmerähnliche Person i. S. des § 5 ArbGG ist. Etwas anderes kann auch der von den Beschwerdeführern zitierten Rechtsprechung des BGH (NW 1977 S. 853) nicht entnommen werden. Zugleich muß den Beschwerdeführern entgegengehalten werden, daß sie mit einem rechtlich schlüssigen Tatsachenvortrag allein den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht bestimmen können, soweit es sich um streitige Tatsachen handelt. Es kommt vielmehr ebenso wie vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 17.12.1990 (BGBl. I S. 2809 ff) darauf an, ob die feststehenden Tatsachen (d.h. die unstreitigen und/oder die bewiesenen) geeignet sind, bis zum 31.12.1990 die ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte und seit dem 01.01.1991 den Rechtsweg zu diesen zu begründen (vgl. BAG AS Bd. 15 S. 292, 297; Bd. 19 S. 355, 361).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind die feststehenden Tatsachen im vorliegenden Fall wie folgt zu beurteilen:

Der Beklagte ist dar Sohn des am 08.12.1920 geb. Vollstreckungsschuldners. Letztererleitete für die Dauer zweier Jahrzehnte eine im … Raum bekannte Rechtsanwaltspraxis und war dort für die Dauer von 15 Jahren zusätzlich als Notar tätig. Nachdem der Vollstreckungsschuldner seine Kanzlei – aus welchen Gründen auch immer – aufgegeben hatte oder dazu gezwungen war, half er dem Beklagten beim Aufbau einer eigenen Existenz als Rechtsanwalt (Bl. 36, 43 d. A.). In dieser Praxis ist er seither zumindest in dem Umfange und in der Art fach- und berufsbezo...

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