Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Fortführung eines einheitlichen betribs nach Ausscheiden eines der beiden Unternehmen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Betriebsübergang i. S. des § 613 a BGB kann vorliegen, wenn ein gemeinsamer Betrieb zweier Unternehmen nur noch von einem Unternehmen fortgeführt wird.

2. Bei Fortführung eines gemeinsamen Betriebes nach Ausscheiden eines der Unternehmen liegt ein Betriebsübergang in der Regel vor, wenn die bisherigen Betriebszwecke unter Aufrechterhaltung der Arbeitsabläufe und mit im wesentlichen gleichen Personal weiterbetrieben werden.

3. Die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer des ausgeschiedenen Unternehmens gehen gemäß § 613 a BGB auf den (die) Weiterbetreiber über.

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 04.05.1995; Aktenzeichen 4 Ca 36/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 04. Mai 1995 – 4 Ca 36/95 – abgeändert unter Zurückweisung der Berufung im übrigen:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.085,21 DM nebst 4 % Zinsen aus je 299.13 DM ab dem 01. Juni 1994 und den jeweiligen bis 01. Oktober 1995 folgenden Monatsersten zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte aufgrund Betriebsübergangs der Klägerin Altersversorgungen schuldet.

Die am 30. April 1934 geborene Klägerin war seit dem 01. November 1965 Arbeitnehmerin der O. B. D. G. Diese hatte am 24. April 1979 mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über eine Versorgungsordnung abgeschlossen.

Die W. I. – und V.

(im folgenden: … in Gründung teilte der Klägerin Anfang 1983 mit, daß sie den Buchbindereibetrieb der O. B. D. (im folgenden: B.-… D.) übernommen habe und ihr Arbeitsverhältnis auf die W. i.Gr. übergegangen sei. Mit der Klägerin wechselten auf diese Weise etwa 15 Arbeitnehmer zur WIB. Die W. führte die Buchbinderei zunächst in der bisherigen Betriebsstätte weiter. Ihr Geschäftsführer war der Sohn des früheren Geschäftsführers und jetzigen Liquidators der Beklagten. Die Maschinen und Werkzeuge der Buchbinderei hatte eine H. G. – erworben, deren Geschäftsführerin die Ehefrau des Liquidators der Beklagten ist. Die W. nutzte diese Betriebsmittel aufgrund rechtsgeschäftlicher Überlassung. Die Beklagte betrieb zu dieser Zeit ebenfalls eine Buchbinderei.

Die W. verlegte 1989 ihren Betrieb in die Produktionshalle, in der auch die Beklagte ihre Buchbinderei betrieb. Nur ein Teil der genutzten Maschinen wurde dabei mitgenommen. Fortan wickelten die W. und die Beklagte, die jeweils etwa 10 Arbeitnehmer beschäftigten, in der gemeinsamen Betriebsstätte mit den gleichen Maschinen ihre jeweiligen Aufträge ab. Sämtliche Maschinen gehörten der H. G. und waren zur Nutzung überlassen. Buchhalterisch und gegenüber den Auftraggebern blieben die beiden Unternehmen getrennt. Soweit es vorkam, daß Aufträge die Kapazität der W. überstiegen, übernahm die Beklagte diese für Rechnung der W. als Subunternehmerin.

Im Dezember 1991 verschwand der Geschäftsführer der W. Die Arbeitnehmer arbeiteten weiter wie gewohnt. Seit Anfang 1992 zahlte die W. ihren Arbeitnehmern keinen Lohn mehr. Im März 1992 teilte der Geschäftsführer der Beklagten der Belegschaft mit, daß sein Sohn für die WIB Konkursantrag gestellt habe. Einem Teil der Belegschaft der WIB wurde gekündigt. Den anderen, darunter der Klägerin, erklärte er, sie würden weiterbeschäftigt. Die Klägerin arbeitete weiter an einer Heftmaschine.

Am 19. Mai 1992 kündigte der Beklagte der Klägerin zum 31. Mai 1992. Am 16. Juli 1992 trat die Insolvenz der W. im Sinne des § 7 BetrAVG ein.

Im August 1992 wurde die Beklagte aufgelöst und befindet sich seitdem in Liquidation.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ruhegeld ab Mai 1994 bis Januar 1995 gem. der Versorgungsordnung der Brandstetter Druckerei.

Sie hat die Auffassunq vertreten, die Beklagte habe den Betrieb der W. im März 1992 übernommen. Die W. sei aufgrund der Übernahme des Betriebsteils Buchbinderei von der B. D. verpflichtet gewesen, Versorgung gem. der Versorgunqsordnung der B. G. zu gewähren.

Bei einem Stundenlohn von 17,86 DM, einer monatlichen Arbeitszeit von 160,33 Stunden ergebe sich ein ruhegeldfähiges Einkommen von 2.863,50 DM und bei einem Prozentsatz von 0,4 für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr eine monatliche Rente von 309,26 DM. Diese Rente verlangt sie für die Monate Mai 1994 bis Januar 1995.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.784,24 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, ein Betriebsübergang von der WIB auf die Beklagte habe nicht stattgefunden. Sie habe von dieser keine Produktionsmittel übernommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 24. Mai 1995, auf das Bezug genommen wird.

Gegen dieses der Klägerin am 20. Juni 1995 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 20. Juli 1995 eingegangene und innerhalb der verlängerten Berufungsbegrün...

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