Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats und der Einzelbetriebsräte für die Regelung von Arbeitszeitfragen in Unternehmen mit mehreren Betrieben
Leitsatz (amtlich)
1. In Unternehmen mit mehreren Betrieben sind im Bereich des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG regelmäßig die Einzelbetriebsräte für die Regelung der davon erfassten Arbeitszeitfragen zuständig. Dies kann allerdings anders zu beurteilen sein, wenn es an einer zu verteilenden betrieblichen Arbeitszeit fehlt. Die Regelungsbefugnis des Einzelbetriebsrats setzt aber regelmäßig voraus, dass die Arbeitszeit durch Arbeitsabläufe bestimmt wird, die sich nach den auf den Betrieb beschränkten Vorgaben des Arbeitgebers richten. Wird eine Dienstleistung vom Arbeitgeber in mehreren Betrieben erbracht, entfällt bei einer technisch-organisatorischen Verknüpfung der Arbeitsabläufe eine betriebliche Regelungsmöglichkeit. Fehlt es an einer zu verteilenden betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, ist für die Regelung der Arbeitszeitfragen nach dieser Vorschrift ist der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig.
2. Die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG begründete originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zur Regelung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit ist nicht auf eine Rahmenkompetenz beschränkt. Sofern der Gesamtbetriebsrat für die Behandlung einer Angelegenheit iSv. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG originär zuständig ist, hat er diese Angelegenheit insgesamt mit dem Arbeitgeber zu regeln.
Normenkette
BetrVG § 50 Abs. 1, § 77
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 26.11.2015; Aktenzeichen 19 BV 706/14) |
Tenor
Auf die Beschwerden des Antragstellers und der Beteiligten zu 6, 7, 9 und 10 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. November 2015 - 19 BV 706/14 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass § 8 Absatz 4, 5 und 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Anwendung des EDV5 Systems "Carmen" vom 28. November 2003 unwirksam ist.
Im Übrigen werden die Anträge des Beteiligten zu 7) zurückgewiesen.
Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 10.000,00 EUR (in Worten: Zehntausend und 0/100 Euro) für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im Falle der Ablehnung der Einsatzpläne durch den Beteiligten zu 1) bzw. den Beteiligten zu 6) die Einigungsstelle, an der der Beteiligte zu 1) bzw. der Beteiligte zu 6) nicht beteiligt sind, anzurufen oder sich an dieser Einigungsstelle zu beteiligen, es sei denn, dass der Gesamtbetriebsrat zuvor mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben ordnungsgemäß nach § 50 Abs. 2 BetrVG durch den Beteiligten zu 1) beauftragt wurde.
Auf den Widerantrag der Beteiligten zu 2) wird festgestellt, dass dem bei der Beteiligten zu 2) gebildete Gesamtbetriebsrat die Zuständigkeit für die Schicht5 und Einsatzplanung für Bordpersonal und Triebfahrzeugführer gem. §§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 50 Abs. 1 BetrVG zusteht.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit von Regelungen einer Gesamtbetriebsvereinbarung und die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Schicht- und Einsatzplanung für Bordpersonal und Triebfahrzeugführer gemäß §§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 50 Abs. 1 BetrVG.
Die Beteiligte zu 2 (Arbeitgeber) ist ein deutschlandweit tätiges Bahnunternehmen, das in 17 Wahlbetriebe untergliedert ist. Antragsteller ist der für den Wahlbetrieb F.I.7 gebildete Betriebsrat. Die übrigen 16 Betriebsräte sind an dem Verfahren beteiligt, ebenso wie der gebildete Gesamtbetriebsrat (Beteiligter zu 19).
Die vom Arbeitgeber betriebenen Züge verkehren bundesweit. Die Schicht- und Einsatzplanung beim Arbeitgeber erfolgt dergestalt, dass zunächst an zentraler Stelle mit dem EDV-System "Carmen" Schichtpläne erstellt werden, die noch nicht mit konkreten Mitarbeitern besetzt sind, die aber bereits vorsehen, auf welchen Zügen zu welchen Zeiten, für welche konkreten Positionen, von welcher Haltestelle bis zu welcher Haltestelle Mitarbeiter eingesetzt werden. Diese Schichtpläne werden an die verschiedenen Einsatzstellen vor Ort weitergegeben. Die Zuteilung von konkreten Mitarbeitern auf eine bestimmte Schicht erfolgt sodann vor Ort durch örtliche Einsatzplaner.
Im Unternehmen des Arbeitgebers besteht die Gesamtbetriebsvereinbarung zur "Anwendung des EDV-Systems Carmen"; insoweit wird auf Bl. 34-40 der Akten Bezug genommen. Deren § 8 regelt das Mitbestimmungsverfahren bei der Schicht- und Einsatzplanung im Rahmen unterjähriger Anpassungen. Nach § 8 Abs. 4 ist im Falle einer Verweigerung der Zustimmung zu den erstellten Einsatzplänen durch den örtlichen Betriebsrat unverzüglich die Einigungsstelle Carmen anzurufen, deren Beisitzer auf Arbeitnehmerseite nach § 8 Abs. 5 vom Gesamtbetriebsrat benannt werden. Gemäß § 8 Abs. 6 werden die Einsatzpläne spätestens 6 Arbeitstage vor Inkrafttreten bzw. bei Anrufung der Einigungsstelle unverzüglich nach deren Entscheidung den Mitarbeitern bekannt gegeben.
Zwischen den Beteiligt...