keine Angaben zur Rechtskraft
Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsänderung. Interessenausgleich. Sozialplan. Einigungsstelle. Gesamtbetriebsrat. Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Für die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Einzel- und Gesamtbetriebsrat für Verhandlungen über einen Interessenausgleich kommt es darauf an, ob die Auswirkungen der Betriebsänderung, die Gegenstand des Interessenausgleichs sein sollen, mehrere Betriebe des Unternehmens erfassen und auf einem einheitlichen unternehmerischen Konzept beruhen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Einzelbetriebsrat auch dann offensichtlich unzuständig im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, wenn personelle Maßnahmen aufgrund der Betriebsänderung nur in einem Betrieb anfallen.
Normenkette
BetrVG §§ 50, 76; BetrVG 111; BetrVG 112; ArbGG 98
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 31.08.2005; Aktenzeichen 22 BV 826/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. August 2005 – 22 BV 826/05 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle.
Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin vertreibt Hard- und Softwareprodukte und bietet Serviceleistungen in Zusammenhang hiermit an. Sie ist die deutsche Tochtergesellschaft eines weltweit operierenden ausländischen Konzerns und beschäftigt deutschlandweit in mehreren Betrieben 892 Arbeitnehmer. In den Betrieben sind Betriebsräte gewählt, die einen Gesamtbetriebsrat gebildet haben. Der antragstellende Betriebsrat repräsentiert die 234 Arbeitnehmer des Hauptbetriebes. Zu diesem Betrieb gehört die bisher 21 Arbeitnehmer umfassende Abteilung Finance Deutschland, die für die deutschen Betriebe zentrale Rechnungswesenfunktionen ausübt, u.a. die Provisionsberechnung. Im Juni 2005 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die Absicht der Konzernobergesellschaft, in Irland länderübergreifend ein sog. Shared-Services-Center (SSC) einzurichten, das für verschiedene nationale Konzerngesellschaften einschließlich der Arbeitgeberin Aufgaben des Rechnungswesens übernehmen soll. Dies führt in der Abteilung Finance Deutschland zum Wegfall von fünf oder sechs Stellen.
Der Betriebsrat ist der Auffassung, es handele sich um eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG. Er verlangte die Bildung einer Einigungsstelle zum Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans für diese Maßnahme. Er hat behauptet, die Maßnahme wirke sich nicht nur auf die Inhaber der betroffenen Stellen aus, sondern auf alle durch die auszulagernden Funktionen betroffenen Arbeitnehmer, etwa auf alle Mitarbeiter mit Provisionseinkommen. Hier stellten sich Fragen des Datenaustauschs, des Datenschutzes und der Bearbeitungsdauer. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, der erstinstanzlichen Anträge und der Tatsachenfeststellungen des Arbeitsgerichts wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses (Bl. 68 – 72 d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Einigungsstelle sei im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG offensichtlich unzuständig, da keine Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG vorliege. Die betroffene Abteilung sei kein wesentlicher Betriebsteil nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG. Die übertragenen Tätigkeiten seien nur Hilfsfunktionen. Wegen der weiteren Gründe wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 72 – 75 d.A.) Bezug genommen.
Der Betriebsrat hat gegen den am 05. September 2005 zugestellten Beschluss am selben Tag Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er hält an seiner Auffassung fest, dass von der Maßnahme ein wesentlicher Betriebsteil betroffen sei. Dafür sei nicht allein die Zahl der in der Abteilung beschäftigten Arbeitnehmer relevant. Vielmehr sei auch eine qualitative Betrachtung erforderlich. Schließlich komme es auf die Gesamtzahl der von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer an. Angesichts der Hilfsfunktionen der Abteilungen seien praktische alle Mitarbeiter und alle anderen Organisationseinheiten betroffen. Die Maßnahme habe wesentliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft des Betriebs, des Unternehmens und des Konzerns zur Folge. Der Gesamtbetriebsrat sei gleichwohl nicht zuständig, da die Abteilung lediglich im Hauptbetrieb angesiedelt ist, zumal auch die Arbeitgeberin die Zuständigkeit nicht gerügt habe.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Betriebsrats wird auf die Schriftsätze vom 05. September und 14. Oktober 2005 Bezug genommen.
Der Betriebsrat beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses nach den in der mündlichen Anhörung vom 31. August 2005 zuletzt gestellten Anträgen zu entscheiden.
Die Arbeitgeberin macht zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags weiter geltend, es liege offensichtlich keine Betriebsänderung vor.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Arbeitgeberin wird auf den Schriftsatz vom 04. Oktober 2005 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I...