Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung. einstweilige Verfügung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, die Durchführung einer geplanten Betriebsänderung zu unterlassen, solange das Unterrichtungs- und Beteiligungsverfahren gemäß §§ 111, 112 BetrVG nicht vollständig abgeschlossen ist (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer).
2. Der Unterlassungsanspruch erfasst die Durchführung von Maßnahmen, die Teil der mitbestimmungspflichtigen Betriebsänderung sind oder die bezüglich des Ob und des Wie der Betriebsänderung vollendete Tatsachen schaffen, die aufgrund der Verhandlungen über den Interessenausgleich nicht mehr revidiert werden können. Nicht erfasst werden reine Vorbereitungsmaßnahmen wie die Schulung und Einweisung der Mitarbeiter eines anderen Unternehmens, auf das der nach der Planung des Arbeitgebers auszugliedernde Betriebsteil übertragen werden soll.
Normenkette
BetrVG §§ 111-112; ZPO § 935
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.12.2009; Aktenzeichen 3 BVGa 867/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) – 5) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Dezember 2009 – 3 BVGa 867/09 – unter Zurückweisung der Anschlussbeschwerde des Antragstellers zum Teil abgeändert:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über einen Unterlassungsanspruch im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung.
Die zu 2) bis 5) beteiligten Arbeitgeberinnen sind die deutschen Tochtergesellschaften eines international tätigen Konzerns. Sie führen drei Betriebe in Deutschland, u.a. jeweils einen in A und B. Die in den Betrieben bestehenden Betriebsräte haben auf der Grundlage von Ziffer III des Tarifvertrages zur Regelung der Arbeitnehmervertretungsstrukturen im C-Konzern vom 22. Mai 2003 unternehmensübergreifend den antragstellenden Gemeinschaftsgesamtbetriebsrat gebildet.
Die Arbeitgeberinnen planen, ab Mitte April 2010 das bisher in den Betrieben A und B, in denen insgesamt etwa 1.600 Arbeitnehmer beschäftigt werden, angesiedelte Supply-Chain-Management auf eine D Konzerngesellschaft zu übertragen. Dies soll zum Wegfall von 75 Arbeitsplätzen in A und B führen. Aus diesem Anlass führen die Beteiligten derzeit Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan, die bisher nicht abgeschlossen sind. Die Arbeitgeberinnen beabsichtigten weiter, zur Vorbereitung der Maßnahme ab 04. Januar 2010 zwanzig Mitarbeiter der D Konzerngesellschaft von den deutschen Arbeitnehmern der Supply-Chain-Managementabteilung schulen und einarbeiten zu lassen. Nachdem der Gesamtbetriebsrat außergerichtlich ohne Erfolg von den Arbeitgeberinnen verlangt hatte, von dieser Maßnahme bis zum Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen abzusehen, verfolgt er dieses Anliegen mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter.
Er hat beantragt,
es dem Beteiligten zu 2), insbesondere der E GmbH, zu untersagen, bei Meidung eines der Höhe nach durch das Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung, im Rahmen der geplanten Verlagerung der Supply-Chain-Aktivitäten vom Standort in A nach F die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im AEDM Customer Service in A anzuweisen, ab Januar 2010 die zukünftig in F mit den AEM Customer Service-Tätigkeiten betrauten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schulen bzw. einzuarbeiten, hilfsweise, den Vollzug des AEM Customer Service Transition Plans: Training & Development ab Januar 2010 auszusetzen und zwar bis zum Abschluss der Gespräche und Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat befristet bis 15. Februar 2010 nach dem Hauptantrag des Gesamtbetriebsrats erkannt und zur Begründung – kurz zusammengefasst – ausgeführt, der Gesamtbetriebsrat verlange zu Recht die Unterlassung der Schulungen und Einweisungen vor Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen, da diese als Teil der Betriebsänderung anzusehen seien und mit ihrer Durchführung Fakten geschaffen würden, die den Verhandlungsspielraum des Betriebsrats hinsichtlich des Ob und des Wie der Betriebsänderung objektiv erheblich und nachhaltig beeinflussten. Wegen der vollständigen Begründung wird auf die Ausführungen unter II des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Die Arbeitgeberinnen haben gegen den ihnen am 04. Januar 2010 zugestellten Beschluss am 06. Januar 2010 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Der Gesamtbetriebsrat hat auf die ihm am 12. Januar 2010 zugestellte Beschwerdebegründung am 14. Januar 2010 Anschlussbeschwerde eingelegt.
Die Arbeitgeberinnen halten an ihrer Auffassung fest, dass die Schulung und Einweisung der D Mitarbeiter nicht Teil der Betriebsänderung sei, und beantragen,
den Beschl...