Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckungsarten beim Ausfüllen und bei der Herausgabe von Arbeitspapieren. Zeugnis als Holschuld. Informationspflicht des Arbeitgebers über Fertigstellung des Zeugnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Lautet der Titel auf Ausfüllen und Herausgabe eines Arbeitspapiers, erfolgt die Zwangsvollstreckung einheitlich nach § 888 ZPO. Lautet der Titel nur auf Herausgabe, so erfolgt die Zwangsvollstreckung nach § 883 ZPO.
2. Bei dem Zeugnis handelt es sich grundsätzlich um eine Holschuld. Der Arbeitgeber ist aus dem Fürsorgegedanken allerdings gehalten, den Arbeitnehmer darüber in Kenntnis zu setzen, wenn er das Zeugnis erstellt und bereitgelegt hat. Der Arbeitnehmer muss nicht "auf gut Glück" bei dem Arbeitgeber persönlich vorstellig werden.
Normenkette
ZPO § 888; GewO § 109; BGB § 269; ZPO § 883
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.03.2017; Aktenzeichen 11 Ca 6497/16) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. vom 20. März 2017 - 11 Ca 6497/16 - aufgehoben.
Gegen den Schuldner wird zur Erzwingung der Verpflichtung aus Ziff. 5 des gerichtlichen Vergleichs vom 7. November 2016 - 11 Ca 6497/16 -, nämlich dem Gläubiger eine ausgefüllte Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III herauszugeben, ein Zwangsgeld in Höhe von 295 Euro verhängt. Für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, wird ein Tag Zwangshaft, zu vollziehen an dem Schuldner, festgesetzt. Die Vollstreckung der Zwangsmittel entfällt, sobald der Schuldner seiner Verpflichtung nachgekommen ist.
Von den Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens erster Instanz haben der Gläubiger 36% und der Schuldner 64% zu tragen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Schuldner zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten zuletzt noch über die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III sowie über die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens.
Die Parteien haben am 7. November 2016 vor dem Arbeitsgericht Frankfurt a.M. in dem Rechtsstreit 11 Ca 6497/16 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen. Gemäß Ziff. 5 des Vergleichs hat sich der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger eine ausgefüllte Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB III herauszugeben. Gemäß Ziff. 6 verpflichtete sich der Schuldner, dem Gläubiger ein qualifiziertes Zeugnis mit der Führungs- und Leistungsbeurteilung "gut" zu erteilen.
Die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs ist am 7. Dezember 2016 erteilt worden. Der Vergleich ist dem Gläubiger am 20. Dezember 2016 von Anwalt zu Anwalt zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2017 hat der Gläubiger einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds nach § 888 ZPO gestellt, weil der Schuldner den Verpflichtungen aus dem Vergleich nicht nachgekommen sei. Nach einem Hinweis hat er den Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln in Bezug auf die Abrechnung nach Ziff. 2 und auf die Auszahlung der Abfindung nach Ziff. 3 des Vergleichs zurückgenommen.
Das Arbeitsgericht hat am 20. März 2017 gegen den Schuldner ein Zwangsgeld in Höhe von 1.770 Euro verhängt zur Erzwingung der Verpflichtungen aus dem Vergleich aus den Ziff. 5 und 6. Dieser Beschluss ist dem Schuldner am 23. März 2017 zugestellt worden.
Der Schuldner legte gegen den Zwangsvollstreckungsbeschluss mit bei Gericht am 31. März 2017 eingegangenem Schreiben sofortige Beschwerde ein.
Er hat gemeint, die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 1.770 Euro sei existenzgefährdend. Er lebe von kleineren Reparaturaufträgen. Der Gläubiger habe nie persönlich versucht, das Zeugnis abzuholen. Er habe mittlerweile das Zeugnis an den Gläubiger übermittelt.
Der Gläubiger hat das Verfahren mit Schreiben vom 29. Mai 2017 für erledigt erklärt, da er mittlerweile eine Kopie des Zeugnisses erhalten habe. Der Schuldner schloss sich der Teilerledigungserklärung mit Schreiben vom 8. Juni 2017 an.
II. Die statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden und insgesamt zulässig (§§ 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 793 ZPO, 78 ArbGG i.V.m. § 569 ZPO).
1. Der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds zur Erzwingung der Herausgabe einer Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III (Ziff. 5 des Vergleichs) ist begründet.
a) Es lagen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, nämlich Titel, Klausel, Zustellung, vor. Die Regelung unter Ziff. 5 des Vergleichs ist auch hinreichend bestimmt.
Der Antrag nach § 888 ZPO ist statthaft. Bei der Verpflichtung zur Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung handelt es sich um eine unvertretbare Handlung i.S.d. § 888 ZPO. Ist die titulierte Verpflichtung darauf ausgerichtet, den Schuldner sowohl zu der Ausfüllung als auch der Herausgabe der Arbeitsbescheinigung anzuhalten, erfolgt die Zwangsvollstreckung einheitlich nach § 888 ZPO (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 3. August 2011 - 8 Ta 157/11 - Juris; Hess. LAG 17. Oktober 2001 - 15 Ta 282/01 - Juris; Ostrowicz in Ostrowicz/Künzl/Scholz Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfah...