Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungsrecht. „Überstunden”
Leitsatz (amtlich)
Nicht in jedem Fall der Überschreitung der Jahresarbeitszeit von 1984 Stunden gem. § 2 Abs. 1 JazTV besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 3
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 22.09.1999; Aktenzeichen 14 BV 23/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. vom 22.09.1999 – Az. 14 BV 23/99 – abgeändert.
Der Antrag wird abgewiesen.
Für den Beteiligten zu 1) wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten Streiten um das Mitbestimmungsrecht wegen vorübergehender Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG).
Der Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Betriebsrat) ist die betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der mehreren hundert Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) in deren Netz-Projekt- und Realisierungszentrum Mitte in … Dort gilt der am 01.01.1998 in Kraft getretene Tarifvertrag zur Regelung einer Jahresarbeitszeit für die Arbeitnehmer der … AG (JazTV). Danach beträgt die regelmäßige Jahresarbeitszeit des Vollzeitarbeitnehmers im Kalenderjahr 1984 Stunden. Wegen des vollständigen Inhalts des JazTV wird ergänzend auf Bl. 9 – 15 d.A. Bezug genommen. Am 26.02.1998 schlossen die Beteiligten auf der Grundlage des JazTV eine Betriebsvereinbarung über die Anwendung der Jahresarbeitszeit (BV), die ebenfalls am 01.01.1998 in Kraft trat Sie legt u. a. in § 4 die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit sowie die Erstellung von Schichtplänen u.A. und das dabei einzuhaltende Mitbestimmungsverfahren gem. § 87 BetrVG fest. Wegen des vollständigen Inhalts der BV wird ergänzend auf Bl. 15 Rs. –18 Rs. d.A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 12.11.1998 (Bl. 21 d.A.) teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, dass sich aus den Jahresarbeitszeitkonten zum 31.10.1998 habe ablesen lassen, dass verschiedene Mitarbeiter bereits die regelmäßige Jahresarbeitszeit von 1984 Stunden überschritten hatten bzw. kurz vor der Überschreitung standen. In dem genannten Schreiben und einem nachfolgenden vom 01.12.1998 (Bl. 22 d.A.) rügte der Betriebsrat, dass sein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 BetrVG von der Arbeitgeberin dabei nicht gewahrt worden sei. Unter dem Datum des 07.12.1998 antwortete die Arbeitgeberin dem Betriebsrat (Bl. 20 d.A.), dass alleine durch den Umstand der Überschreitung der „Jahresarbeitszeit-Vollzeitschwelle” Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG nicht betroffen würden. Bei einer Saldierung der Zahl der Stunden, um die die Jahresarbeitszeiten von den Arbeitnehmern im hier fraglichen Betrieb über- bzw. unterschritten wurden, ergibt sich für das Kalenderjahr 1998 ein Überhang von 11.132 Stunden (Zusammenstellung Bl. 27 d.A., Datenausdrucke Hülle Bl. 28 d.A.).
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin habe mit der Anordnung bzw. Entgegennahme dieser Zahl von Arbeitsstunden sein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG verletzt. Um diese Zahl von Stunden sei nämlich die betriebsübliche – jährliche – Arbeitszeit von 1984 Stunden für das Kalenderjahr 1998 vorübergehend verlängert worden.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, Arbeitnehmer des Betriebs, einschließlich zugewiesener Beamter, während eines Kalenderjahres ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats bzw. ersetzenden Spruch der Einigungsstelle an mehr Jahresarbeitsstunden als tarifvertraglich bzw. nach Maßgabe der beamtenrechtlichen Vorschriften zulässig (1984 bzw. 2011 Stunden zur Zeit) zu beschäftigen bzw. Arbeitsleistung über die zulässige Jahresarbeitszeit hinaus von diesen Arbeitnehmern entgegenzunehmen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt.
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat gemeint, aus der Konstruktionslogik des JazTV mit mehreren parallel geführten Zeitkonten ergäben sich zwei gegenläufige Entwicklungen: Die aus dem Kalenderjahr 1997 übernommenen Zeitguthaben in den Übergangszeitkonten gem. § 9 a JazTV würden abgebaut, steigerten aber die durchschnittlichen Salden in den Arbeitszeitkonten. Der Abbau des Bestandes auf den Übergangszeitkonten durch Freizeit führe zu Vertretungsbedarf, der wieder die Überschreitung des Jahresarbeitszeitkontos bewirke. Da das Arbeitszeitkonto auch Zeiten erfasse, zu denen gar nicht gearbeitet werde, wie Urlaubs- und Krankheitszeiten sowie Freizeitausgleich für Wochenfeiertage, könne aus einer Überschreitung der Jahresarbeitszeit-Vollzeitschwelle nicht auf die Leistung von Mehrarbeit geschlossen werden. Eine solche Überschreitung ergebe sich z. B. auch bei der Ableistung von mitbestimmter Mehrarbeit zu Jahresbeginn und anschließender Einhaltung der Regelarbeitszeit. In diesem Fall – so die Arbeitgeberin – führe das Begehren des Betriebsrats zur Ausübung eines...