Entscheidungsstichwort (Thema)

"aut-aut" Fall. Rechtsweg. Zum Arbeitnehmerstatus eines "angestellten" Rechtsanwalts. Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten. Arbeitnehmerstatus eines "angestellten" Rechtsanwalts. Sog. "aut-aut" Fall

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 ArbGG ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages in persönliche Abhängigkeit weisungsgebundene fremdbestimmte Tätigkeiten für einen anderen in einer von diesem geschaffenen Arbeitsumgebung leistet.

2. Kein Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines Dienstvertrages tätig ist und im Sinne des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestaltet und seine Arbeitszeit frei bestimmt.

3. Ein Rechtsanwalt, der nicht in persönlicher Abhängigkeit weisungsgebunden fremdbestimmte Tätigkeiten ausübt, ist kein Arbeitnehmer.

 

Normenkette

GVG § 17a; ArbGG § 5 Abs. 1; HGB § 84; BGB § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.06.2011; Aktenzeichen 4 Ca 9045/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Juni 2011 - 4 Ca 9045/10 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist seit 1994 zugelassener Rechtsanwalt, spezialisiert auf Gesellschaftsrecht und die rechtliche Beratung bei Unternehmenskäufen. Zuletzt war er Partner der A. Zwecks beruflicher Veränderung führte er ab Mitte Gespräche mit der Beklagten. Gegenstand der Verhandlungen war u. a., ob der Kläger als International oder als Equity Partner für die Beklagte tätig werden sollte. Tätigkeitsort sollte jedenfalls C sein. Mit E-Mail vom 20. April 2007 wurde dem Kläger ein "Agreement" übersandt. In diesem sind der Status als International Partner sowie eine bis 31. Dezember 2008 garantierte Jahresvergütung in Höhe von 650.000,00 € sowie die Zahlung eines Bonus festgehalten. Es wurde ausdrücklich geregelt, dass eine Verminderung im Jahr 2007 überhaupt nicht, und im Jahr 2008 nur unter bestimmten Bedingungen und in einem bestimmten Umfang möglich ist. Die Zahlung des Bonus sollte im Ermessen des Executive Committee liegen. Für Steuern oder anderes sollte nichts einbehalten werden. Wegen des Inhalts im Einzelnen wird auf Bl. 84 ff d. A. verwiesen. In seiner Antwort-Mail vom 23. April 2007 verwehrte sich der Kläger ausdrücklich gegen die Verwendung des Begriffs "International Partner". Am 27. April 2007 schickte der Kläger dann schließlich einen "I agree", wobei die Einzelheiten der Vertragsgestaltung noch offen waren. Mit Schreiben vom 14. Juni 2007 informierte der Kläger dann die Beklagte, dass er seinen Wechsel zu ihr seinen Mandanten bekannt gemacht habe. Am Folgetag ließ die Beklagte ihn wissen, dass an einer Zusammenarbeit kein Interesse mehr bestehe.

Der Kläger hat, eingehend am 29. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht, Klage auf Zahlung von zunächst 325.000,00 € erhoben. Die Klage ist zwischenzeitlich um 650.000,00 € erweitert worden. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf Annahmeverzug der Beklagten, hilfsweise auf culpa in contrahendo (§ 313 BGB). Der Zeitpunkt der Klagezustellung ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schriftsatz vom 10. März 2011 hat die Beklagte die Rechtswegzuständigkeit gerügt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe mit der Beklagten einen Arbeitsvertrag vereinbart. Deshalb sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Die abgesprochene Position als "International Partner" entspreche einem Angestelltenverhältnis. Er habe, so hat der Kläger behauptet, in jeder Hinsicht weisungsunterworfen sein sollen. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, ihn anzuweisen, welchem Mandate er bearbeite, welche Stundensätze er abrechnen solle und welche sonstigen Aktivitäten er entfalten dürfe. Seine gesamte Arbeitskraft habe er für die Beklagte aufwenden sollen. Jedenfalls sei er - so hat der Kläger schließlich gemeint - als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen.

Das Arbeitsgericht hat durch Kammerbeschluss vom 21. Juni 2011 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht eröffnet angesehen und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, schon aus dem Vorbringen des Klägers selbst lasse sich weder ein Arbeitnehmerstatus des Klägers ableiten noch gebe es schlüssiger Vortrag zu der Behauptung, der Kläger sei von der Beklagten wirtschaftlich abhängig gewesen wie eine arbeitnehmerähnliche Person. Zum Arbeitnehmerstatus fehle es an substantiierten Vortrag, wie im Einzelnen der Kläger in Bezug auf seine Tätigkeit weisungsunterworfen gewesen sein sollte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21. Juni 2011 (Bl. 231 - 237 d. A.) verwiesen.

Nach Zustellung des Beschlusses am 10. August 2011 hat der Kläger am 24. August 2011 beim Arbeitsgericht sofortige Beschwerde eingelegt und sie zugleich begründet sowie mit späteren Schriftsätzen weiter begründet. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde am 08. November 2011 nicht abgeholf...

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