Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheit eines Vollstreckungstitels auf Beschäftigung. Vollstreckung eines Beschäftigungstitels. Geltung des Weisungsrechts des Arbeitgebers nach § 106 GewO auch bei Vorliegen eines Beschäftigungstitels. Konkretisierung der Arbeitspflicht durch das Weisungsrecht aus § 106 GewO. Keine Unmöglichkeit der Beschäftigung bei Korrektur getroffener Organisationsmaßnahmen
Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Arbeitnehmer einen Titel erstritten, nach dem er mit bestimmten dort benannten Tätigkeiten zu beschäftigen ist, so ist das Prozessgericht im Vollstreckungsverfahren daran gebunden. Der Arbeitgeber kann nicht einwenden, dass der Beschäftigungstitel sachlich unzutreffend sei.
2. Auch nach der Existenz eines Beschäftigungstitels bleibt es dem Arbeitgeber unbenommen, sein Weisungsrecht nach § 106 GewO auszuüben. Führt dies dazu, dass der Arbeitnehmer mit anderen als in dem Titel benannten Tätigkeiten beschäftigt wird, so ist es Sache des Arbeitgebers, diese neue Weisung in einem neuen Erkenntnisverfahren, ggf. nach § 767 ZPO, überprüfen zu lassen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Geltung der veränderten Arbeitsbedingungen, also die Wirksamkeit der neuen Weisung, - was selten der Fall sein wird - zwischen den Parteien unstreitig oder offenkundig ist.
3. Unmöglichkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers liegt noch nicht dann vor, wenn der Arbeitgeber zwar eine Organisationsmaßnahme getroffen hat, diese aber durch Ausübung des Weisungsrechts auch wieder rückgängig machen kann.
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Titulierung des dem Arbeitnehmer zustehenden Anspruchs auf Beschäftigung muss der Vollstreckungstitel verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht. Es reicht aus, wenn sich aus dem Titel das Berufsbild ergibt, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, oder diesem zu entnehmen ist, worin die ihm zuzuweisende Tätigkeit bestehen soll.
2. Im Rahmen des durch den Titel festgelegten „Berufsbilds“ oder der festgelegten Tätigkeit ist es dem Arbeitgeber regelmäßig möglich, Konkretisierungen durch Ausübung seines Weisungsrechts nach § 106 GewO weiterhin vorzunehmen. Der Arbeitgeber konkretisiert die Arbeitspflicht durch Ausübung des Weisungsrechts, wenn diese zwar dem Umfang nach, aber im Übrigen im Arbeitsvertrag hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung nur rahmenmäßig umschrieben ist.
Normenkette
ZPO § 888; BGB § 362; GewO § 106; ZPO § 313 Abs. 2, § 767
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 8 Ca 3878/20) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. vom 5. Januar 2023 - 8 Ca 3878/20 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Rahmen der Zwangsvollstreckung über die Frage, mit welchen Tätigkeiten der Gläubiger bei der Schuldnerin zu beschäftigen ist.
Zwischen den Parteien war vor dem Arbeitsgericht Frankfurt a.M. ein arbeitsrechtlicher Streit anhängig, mit dem der Gläubiger u.a. eine Klärung über die von ihm im Arbeitsverhältnis geschuldeten Tätigkeiten herbeiführen wollte. In dem Berufungsverfahren hat das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 22. August 2022 - 7 Sa 767/21 - das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Schuldnerin verurteilt, den Gläubiger als Senior Expert mit beratenden Tätigkeiten für in- und ausländische Klienten in jeweils neu zusammengestellten Teams an unterschiedlichen Themen zu beschäftigen. Dieses Urteil, welches der Schuldnerin am 7. November 2022 zugestellt worden ist, ist in Rechtskraft erwachsen. Die vollstreckbare Ausfertigung ist am 31. August 2022 erteilt worden.
Mit Schreiben vom 29. September 2022 hat der Gläubiger die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung der titulierten Beschäftigungsverpflichtung geltend gemacht.
Die Schuldnerin vertritt die Auffassung, dass der Gläubiger dem Titel entsprechend derzeit beschäftigt werde. Seit dem 12. September 2022 setze sie ihn in dem Bereich „Consumer Insight“ für die Klientenumfrage „Consumer Sentiment Survey“ als Senior Expert ein. Diese Umfragen dienen dazu, die Bedürfnisse der Klienten sowie die aktuellen Trends am Markt herauszufinden. Er arbeite in einem Team mit A und B, die auf derselben Senioritätsstufe wie der Gläubiger stünden. Ferner arbeite der Gläubiger seit dem 4. Oktober 2022 an einem „letter of proposal“ (Angebotsschreiben) für die Durchführung einer Klientenstudie. Er sei folglich mit anderen beratenden Tätigkeiten für in- und ausländische Klienten in jeweils neu zusammengestellten Teams an unterschiedlichen Themen beschäftigt.
Der Gläubiger hat die Auffassung vertreten, dass er nicht dem Titel entsprechend beschäftigt werde. Bei der Umfrage handele es sich um eine Umfrage, die sich nicht auf Klienten, sondern auf Konsumenten beziehe. Er übe hierbei keinerlei beratende Tätigkeit für Klienten der Schuldnerin aus. Auch die Tätigkeit im Rahmen des „letter of proposal“ stelle keine ber...