Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung auf Freistellung von Betriebsratsmitgliedern des Wahlvorstands für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung zu einer Schulungsmaßnahme
Leitsatz (amtlich)
1. Auf die Freistellung von Schulungen für Betriebsratsmitglieder - für Mitglieder des Wahlvorstands zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung gilt nichts anderes - gerichtete einstweilige Verfügungen sind zulässig, weil gemäß §§ 85 Abs. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO auch im Beschlussverfahren dem Verfassungsgebot eines effektiven Rechtsschutzes mit der Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung Rechnung zu tragen ist.
2. Gemäß § 177 Absatz 6 Satz 2 SGB IX, § 20 Absatz 3 Satz 2 BetrVG trägt der Arbeitgeber die Kosten der Wahl und darf das Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers nicht mindern, wenn dieser wegen der Betätigung im Wahlvorstand Arbeitszeit versäumt und die Säumnis zur Ausübung des Amtes erforderlich ist. Zur Betätigung im Wahlvorstand gehört auch die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung zur Unterweisung in die Aufgaben eines Wahlvorstandes.
3. Die Dauer von eineinhalb Tagen für die Schulung war hier angemessen, da die im Seminarplan ausgewiesenen Themen durchweg erforderliche Kenntnisse vermitteln.
4. Zwar hat ein Mitglied des Wahlvorstands erst im Mai 2018 an einer Schulung eines anderen Veranstalters teilgenommen, auf der nach seinem Vortrag, die im Seminarprogramm genannten Themen allerdings nur teilweise behandelt worden seien. Die erneute Teilnahme an einer Schulung ist dem Arbeitgeber zumutbar, weil die streitgegenständliche Schulung zu einem Pauschalpreis für alle Teilnehmer durchgeführt wird, hinsichtlich dieses Mitglieds des Wahlvorstands also (über die Fortzahlung des Gehalts und eine Verpflegungspauschale hinaus) keine zusätzlichen Kosten entstehen.
5. Der Erforderlichkeit der Schulungsmaßnahme steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber selbst eine Schulung für (sämtliche) Wahlvorstände zu den Wahlen der Schwerbehindertenvertretung durchführt.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; SGB IX § 177 Abs. 6 S. 2; BetrVG § 20 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.08.2018; Aktenzeichen 3 BVGa 484/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. August 2018 - 3 BVGa 484/18 - teilweise abgeändert. Die Beteiligte zu 4 wird im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet die Beteiligten zu 1 bis 3 für die am 20. und 23. August 2018 durch Frau Rechtsanwältin A durchzuführende Schulung des Wahlvorstands zur Wahl einer Schwerbehindertenvertretung zur Erbringung einer Arbeitsleistung freizustellen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in einem einstweiligen Verfügungsverfahren über die Freistellung von Mitgliedern des Wahlvorstands für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung zu einer Schulungsmaßnahme.
Die Beteiligte zu 4 (Arbeitgeber) ist ein Luftverkehrsunternehmen. Die Beteiligten zu 1-3 sind Mitglieder des Wahlvorstands zur Wahl einer Schwerbehindertenvertretung des Bordpersonals Station Basis B. Beteiligter zu 5 ist der Wahlvorstand zur Wahl einer Schwerbehindertenvertretung des Bordpersonals B, dessen Vorsitzender der Beteiligte zu 1 ist.
Mit E-Mail vom 12. Juli 2017 (Bl. 10 der Akte) kündigte der Arbeitgeber an, die Wahlvorstände für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung zu schulen. In seiner Sitzung vom 25. Juli 2018 beschloss der Wahlvorstand, eine Schulung des Wahlvorstands durch Rechtsanwältin A durchzuführen; insoweit wird auf Bl. 14 der Akte verwiesen. Wegen des Inhalts der Schulungsveranstaltung wird auf die Schulungsübersicht von Rechtsanwältin A (Bl. 23, 24 der Akten) verwiesen. Die Kosten für die (ursprünglich) 2-tägige, jetzt eineinhalbtägige, Veranstaltung belaufen sich ausweislich des Schreibens sich von Rechtsanwältin A vom 7. August 2018 (Bl. 19, 20 der Akte) auf 1000 € zuzüglich Mehrwertsteuer pro Tag. Hinzu kommt eine Verpflegungspauschale von 15 € pro Tag und Person. Unter dem 7. August 2018 teilte der Arbeitgeber dem Beteiligten zu 1 mit, dass er die begehrte Schulung nicht für erforderlich hält, da der Arbeitgeber mit E-Mail vom 23. Juli 2018 angeboten habe, an einer von ihm (dem Arbeitgeber) durchgeführten Schulung für die Wahlvorstände der Schwerbehindertenvertretung teilzunehmen. Diese basiere auf der bereits für die Wahlvorstände der "Schwerbehindertenvertretungs-Wahl Boden" durchgeführten Schulung und berücksichtige die Besonderheiten für den Flugbetrieb. Im Übrigen habe der Beteiligte zu 1 bereits an einer Schulung zur Schwerbehindertenvertretungswahl teilgenommen, so dass auch deshalb keine Erforderlichkeit bestehe. Hierbei habe es sich um das von dem Veranstalter C veranstaltete Seminar im Mai 2018 gehandelt; wegen der Seminarausschreibung wird auf Bl. 81, 82 der Akte verwiesen.
Die Beteiligten zu 1-3 haben die Auffassung vertreten, sie fänden es ungewöhnlich an einer vom Arbeitgeber veranstalteten Schulung teilzunehmen, der die Wahl später anfechte.
Wegen der Ein...