Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine zweite Einigungsstelle für denselben Regelungsgegenstand. Gleicher Regelungsgegenstand bei Video- und Kameraüberwachung. Befugnis der Einigungsstelle zur Schaffung vorläufiger Regelungen
Leitsatz (amtlich)
Die Bestellung mehrer Einigungsstelle mit (ggf. teilweise) demselben Regelungsgegenstand ist nicht zulässig, auch wenn beide Einigungsstellen von demselben Vorsitzenden geleitet werden sollen.
Eine Einigungsstelle ist befugt, eilbedürftige Punkte vorläufig zu regeln.
Normenkette
BetrVG § 76; ArbGG § 100; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; ArbGG § 100 Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Beschluss vom 01.10.2019; Aktenzeichen 10 BV 13/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 1. Oktober 2019 – 10 BV 13/19 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle.
Die antragstellenden Arbeitgeberinnen betreiben ein „Distribution Center“, dessen Belegschaft vom antragstellenden Betriebsrat repräsentiert wird. Unter dem 01. März 2016 schlossen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung über Sicherungsmaßnahmen, unter anderem auch über die Videoüberwachung. Nachdem die Arbeitgeberinnen diese Betriebsvereinbarung zwischenzeitlich kündigten, bildeten die Beteiligten eine Einigungsstelle, deren Regelungsgegenstand unter anderem das Thema „Technische Sicherheits- und Kontrolleinrichtungen (unter anderem Videoüberwachung)“ ist. Dieses Verfahren ist nicht abgeschlossen. Nachdem aus Sicht der Arbeitgeberinnen der Verdacht von Warendiebstählen in einem Teil des Lagers entstanden war, streben die Arbeitgeberinnen eine zeitweilige Kameraüberwachung dieses Bereichs an. Da der Betriebsrat zu einer solchen Regelung nicht bereit war, verfolgen die Arbeitgeberinnen ihr Anliegen im vorliegenden Einigungsstellenbestellungsverfahren weiter. Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, da der Gegenstand der von den Arbeitgeberinnen angestrebten Einigungsstelle bereits Gegenstand des laufenden Einigungsstellenverfahrens sei.
Die Arbeitgeberinnen haben gegen den am 02. Oktober 2019 zugestellten Beschluss am 16. Oktober 2019 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie halten an ihrer Auffassung fest, dass die Einigungsstelle wegen der Eilbedürftigkeit einer Regelung zuständig sei. Mit dem zeitnahen Abschluss des laufenden Einigungsstellenverfahrens sei nicht zu rechnen. Durch die Bestellung derselben Vorsitzenden wie im laufenden Einigungsstellenverfahren könne die Gefahr widerstreitender Regelungen vermieden werden.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Arbeitgeberinnen wird auf den Schriftsatz vom 16. Oktober 2019 Bezug genommen.
Die Arbeitgeberinnen beantragen,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 1. Oktober 2019 – 10 BV 13/19 – zu ändern und zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle betreffend die Einrichtung einer temporären Kameraüberwachung (Schleife 15 Pickfach 30-0-11 Höchstdauer drei Wochen) Frau A zu bestellen und die Zahl der Beisitzer auf zwei pro Seite festzusetzen.
Der Betriebsrat rügt zur Begründung seines Zurückweisungsantrags, der Antrag sei mangels Bezeichnung des Zeitpunkts der Kameraüberwachung nicht hinreichend bestimmt.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Betriebsrats wird auf den Schriftsatz vom 04. November 2019 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Der Antrag der Arbeitgeberin ist allerdings zulässig. Er entspricht insbesondere dem Bestimmtheitsgebot von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (zu dessen Geltung im Einigungsstellenverfahren vgl. BAG 28. März 2017 – 1 ABR 25/15 – BAGE 159/12, zu B I 2 – 4). Im Antrag ist der Regelungsgegenstand der Einigungsstelle präzise bezeichnet. Eine Angabe des Zeitraums der angestrebten Videoüberwachung war nicht erforderlich. Die Bestimmung dieses Zeitraums unterliegt ggf. dem Ermessen der Einigungsstelle und ist vor dem Abschluss und erst Recht vor der Einleitung des Einigungsstellenverfahrens ohnehin nicht konkret berechenbar.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Er ist zurückzuweisen, da die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der vorliegende Regelungsgegenstand bereits Gegenstand des laufenden Einigungsstellenverfahrens ist und die Einigungsstelle daher nicht erneut zu diesem Gegenstand bestellt werden kann. Die Bestellung mehrerer Einigungsstellen mit demselben Regelungsgegenstand ist aufgrund der Gefahr der Entstehung widerstreitender Regelungen nicht möglich (LAG Hamburg 12. Januar 2015 – 8 TaBV 14/14 – LAGE ArbGG 1979 § 98 a. F. Nr. 1, zu II 2 b; GK-ArbGG-Schleusener Stand November 2019 § 100 Rn. 27 a). So liegt der Fall hier. Der Regelungsgegenstand „Videoüberwachung“ der laufenden Einigungsstelle umfasst den Gegenstand der im vorliegenden Verfahren zu bildenden Einigungsstelle über eine zeitweilige Kameraüberwachung.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass du...